# taz.de -- heute in bremen: „Für so manche Menschenwäre eine kleine Wohnun… | |
Interview Florian Fabozzi | |
taz: Frau Bierwirth, welche Nachhaltigkeitsstrategien gibt es beim | |
Wohnungsbau? | |
Anja Bierwirth: Man unterscheidet zwischen der Effizienz, der Verminderung | |
des Rohstoffbedarfs, der Konsistenz, der Umstellung von fossilen auf | |
erneuerbare Energien und der Suffizienz, die sich die Frage stellt, wie | |
viel Energie und Raum man zum Wohnen benötigt. | |
Wie lassen sich Altbauten ökologisch sanieren? | |
Außenwände und Geschossdecken können gedämmt werden, alte Heizungen durch | |
ein neues, effizientes Heizungssystem ersetzt werden. Dabei sollte im | |
Vordergrund stehen, aus welchen Quellen Wärme und Strom bezogen wird. | |
Wird bei der ökologischen Sanierung von Altbauten schon genug getan? | |
Auf gar keinen Fall. Deutschland hat eine Sanierungsrate von nur etwa einen | |
Prozent. Für die Erreichung der Klimaziele ist das zu wenig. Außerdem | |
entsprechen die Sanierungen oft nicht dem bestmöglichen Standard. Viele | |
informieren sich im Vorfeld nicht sorgfältig über optimale, ökologische | |
Sanierungsmaßnahmen. Und das, obwohl die Energieeinsparverordnung | |
vorschreibt, dass mit den Sanierungen bestimmte Effizienzmaßnahmen | |
einhergehen müssen. | |
Kann die fortschreitende Sandknappheit zum Problem für die Bauindustrie | |
werden? | |
Durch die Verknappung der Ressourcen wie Sand kommt es zu Preisanstiegen. | |
In schnell wachsenden Ländern wie etwa Indien, wo überspitzt ausgedrückt | |
jeden Tag eine Kleinstadt aus dem Boden schießt, ist das ein erhebliches | |
Problem. Da die Ressourcen endlich sind, müssen wir vom Abriss betroffene | |
Materialien wiederverwenden und endlich eine konsequente | |
Kreislaufwirtschaft umsetzen. | |
Demzufolge sind Neubaumaßnahmen nicht der Weisheit letzter Schluss? | |
Zumindest bemängel ich, dass der Neubau im derzeitigen Diskurs oft der | |
einzige Lösungsweg ist. Häufig werden ökologische und soziale Ziele | |
gegeneinander ausgespielt. Dabei gibt es viele Leerstände und | |
Gewerbehäuser, die in Wohnhäuser umfunktioniert werden können. Eine Frage | |
kommt mir in politischen Diskussionen zu kurz: Was können wir mit dem | |
machen, was wir schon haben? | |
Müssen sich Menschen gemäß der Energiesuffizienz künftig mit weniger | |
Wohnraum begnügen? | |
Viele Häuser sind ja ohnehin unterbenutzt. In Familienhaushalten wird, wenn | |
die Kinder ausziehen, der räumliche Wohlstand irgendwann zur Belastung. | |
Älteren Menschen fehlt die Kraft, ein 100 Quadratmeter großes Haus instand | |
zu halten. Für so manche Menschen wäre eine kleine Wohnung adäquater. | |
Was sind die Wohnkonzepte der Zukunft? | |
Gemeinschaftliche Wohnprojekte mit geringer Privatfläche, aber vielen | |
Gemeinschaftsbereichen, sollten gefördert werden. Die Schweiz ist uns da | |
mit genossenschaftlichen Projekten weit voraus. Soziale, ökologische und | |
ökonomische Aspekte werden hier unter einen Hut gebracht. Am wenigsten | |
nachhaltig sind Einfamilienhäuser. Nur ist für viele Menschen genau das | |
noch immer der Wohntraum: ein Eigenheim im Grünen. | |
Was werden Sie mit den Teilnehmer*innen in den Workshops konkret | |
erarbeiten? | |
Wir werden diskutierten, wie zukunftsfähiges Wohnen aussehen kann und wie | |
man vorhandenen Wohnraum besser nutzt. Auch werde ich auf soziale, | |
nachhaltige Finanzierungsmodelle eingehen. Gemäß des Veranstaltungstitels | |
„Wachstumswende“ reden wir auch darüber, wie der Gewinnmaximierungsgedanke, | |
der durch die Liberalisierung des Marktes verursacht wurde, umgekehrt | |
werden kann. | |
28 Sep 2019 | |
## AUTOREN | |
Florian Fabozzi | |
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