# taz.de -- Mit dem Tiger schlafen | |
> Die Künstlerin als Antiheldin: Zu ihrem 100.Geburtstag wird die lange | |
> unterschätzte Malerin Maria Lassnig auch in der Wiener Albertina geehrt | |
Bild: Maria Lassnig, Selbstporträt mit Stab, 1971 | |
Von Gabriela Walde | |
Kompromisslose Künstlerinnen gibt es nicht wenige, die ihren Körper und ihr | |
Ich schonungslos in die Kunst eingebracht haben: Die Käfigmeisterin Louise | |
Bourgeois gehörte dazu, Performance-Star Marina Abramovićhat ihre Tour de | |
Force längst in einer Biografie veröffentlicht. Spät entdeckt wurde Maria | |
Lassnig, die zähe, eigenwillige Körperexorzistin aus Kärnten. Eine | |
Außenseiterin, die sich nicht anpassen wollte, und ihr Leben lang damit | |
haderte, dass sie verkannt wurde. Erst jenseits der 60 bekam sie weltweit | |
Anerkennung für ihre „Körperbewusstseinsbilder“. Lust, Trauer, Angst, | |
Einsamkeit versuchte sie mit dem Pinsel zu domestizieren, wenn sie ihren | |
nackten Körper malte. Ihre Farben: giftiges Gelb, grelles Grün, helles | |
Türkis. Darf man Haut so malen? | |
In diesem Jahr wäre die Österreicherin 100 Jahre alt geworden. Gefeiert | |
wird sie vielerorts als eine der einflussreichsten Malerinnen des 20. | |
Jahrhunderts. Linz und Klagenfurt waren die ersten, die Staatsgalerie | |
Stuttgart präsentierte ihre Werke bis August, das Münchner Lenbachhaus | |
machte einen „Body Check“ von ihr und Martin Kippenberger. Da die Albertina | |
erst vor zwei Jahren mit „Zwielicht“ ihre Zeichnungen zeigte, beschränkt | |
man sich nun mit 80 Werken auf die Malerei. Lassnigs Filme bekommen – in | |
Kooperation mit dem Wiener Filmmuseum – die große Leinwand. In Amsterdam | |
wartete die Jubiläumsschau mit gewaltigen 250 Arbeiten auf. | |
Wer eine Ausstellung mit Maria Lassnig besucht, muss wissen, es wird nicht | |
schön. In der Albertina gibt es dieses Bild „Du oder Ich“ (2005), das | |
vielleicht besser als jedes andere ihre rigorose Haltung und ihren | |
künstlerischen Ansatz zum Ausdruck bringt. Ein Knall in der Stille: Da | |
sitzt sie, die schon alte Frau, nackt mit gespreizten, schlaffen Beinen, | |
vor uns. Sie starrt uns herausfordernd an. Mit der Linken hält sie sich | |
eine Pistole an die Schläfe, mit der rechten zielt sie direkt auf uns. Ich: | |
die Künstlerin als Antiheldin, die mit sich ringt, der Verzweiflung nah, | |
trotzdem stark genug, Entscheidungen zu treffen. Du: der Betrachter, den | |
sie auf Distanz hält, ihn zugleich zwingt, sie und ihre Kunst anzuschauen. | |
Und genauso verhält es sich mit der Schau „Ways of Being“, die auffächert, | |
mit welcher Radikalität – auch sich selbst gegenüber – Maria Lassnig ihre | |
Malerei über die Jahrzehnte durchgezogen hat. Selbst in ihren abstrakten | |
frühen Phasen war es ihr Körper, der den pastosen Linien die Form vorgab, | |
dabei lag sie beim Malen oft auf dem Boden. Sie befreit ihn von jeder Form | |
erotischer Aufladung und der Schönheitsideale. | |
## Zu eng im „Fraueneckerl“ | |
Nach dem Studium der Malerei an der Wiener Akademie nutzt sie anfangs die | |
Strömungen wie den Kubismus, Expressionismus und Surrealismus für sich. | |
1960 geht sie nach Paris, aber hier hat Malerei nicht den Stellenwert, den | |
sie sich erhofft hat. Ende der Sechziger verlässt sie die Seine-Metropole | |
Richtung New York. Doch auch in der quirligen Kunststadt hat sie einen | |
schlechten Stand, Performances, Konzeptkunst und Minimal Art sind angesagt. | |
Da kommt diese „strange“ Österreicherin mit figurativer, noch dazu auf | |
Empfindung ausgerichteter Malerei. Um zu zeigen, dass sie überhaupt malen | |
kann, werden ihre Bilder hier offener, realistischer, doch ihre groteske | |
Anmutung verlieren sie nie. Sie malt Selbstporträts mit einer Riesengarnele | |
auf dem Schoß, einem TV-Gerät zwischen den Beinen und mit einem Tiger auf | |
dem Bauch (1975). In „Woman Laokoon“ (1976) kämpft sie gegen die Schlange, | |
in „Woman Power“ (1979) stapft sie wie King Kong über die Dächer von | |
Manhattan. Ein feministisches Motiv, gerichtet gegen die Vorherrschaft der | |
Männer in der Kunstszene. Als Feministin aber wollte sie nie bezeichnet | |
werden, in dem „Fraueneckerl“ war es ihr dann doch zu eng. | |
Ihre Ortswechsel erschwerten ihre öffentliche Wahrnehmung. Sie musste jedes | |
Mal wieder ein neues Netzwerk aufbauen. Lassnig hätte zwar einzelne Erfolge | |
gehabt, genug war ihr es nie, erzählt die Wiener Kuratorin Antonia | |
Hoerschelmann. Sie trennte sich nur ungern von ihren Werken, daher gab es | |
keine große Auswahl, die Galerien hätten anbieten können. | |
Als die Künstlerin 1980 nach Wien zurückkehrt, erlebt die Malerei mit der | |
Transavantgarde und den jungen Wilden gerade einen Aufschwung. Erstmals | |
erfährt sie durch ihren Professorenjob an der Hochschule für angewandte | |
Kunst finanzielle Sicherheit, für sie befreiend. Gemälde wie der | |
lila-pinkfarbene „Heroische Mistkübel“ (1981) zeigen, dass sie durchaus mit | |
Wiener Schmäh gesegnet war. Zwei Jahre später wird sie zur Documenta 7 | |
eingeladen, 1988 bekommt sie als erste bildende Künstlerin den Staatspreis. | |
2013, da ist sie 93 Jahre, erhält sie den Goldenen Löwen der | |
Venedig-Biennale. Da war sie bereits zu schwach zum Reisen. | |
Gemalt hat sie bis zuletzt. Altersmilde? Im Gegenteil. Sie arbeitete ihre | |
Themen geradezu therapeutisch ab. In „Illusion der versäumten Mutterschaft“ | |
(1997) malt sie sich mit geschundenem Leib, wie sie sich die amorphe | |
Geburtsmasse zurück in den Bauch schiebt. Sogar einen Froschkönig gibt es, | |
der hockt in ihrem Schoß – ein Prinz wird er nicht mehr, und sie keine | |
Prinzessin. Mit den Männern sollte es nie eng werden. Dem Thema Tod weicht | |
sie im „Krankenhaus“ (2005) nicht aus, selbst ihr langsames Entschwinden | |
(„Vom Tode gezeichnet“, 2011) bringt sie auf die Leinwand. Ihr fahles | |
Gesicht versinkt langsam im orangefarbenen Farbmeer. | |
Albertina, Wien, bis 1. Dezember | |
26 Sep 2019 | |
## AUTOREN | |
Gabriela Walde | |
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