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# taz.de -- „Skaten, ein Lebensgefühl“
> Die Skateboardszene steckt irgendwo zwischen Subkultur und
> professionellem Sport. Veith Kilberth promoviert dazu an der Uni
> Flensburg. Er sieht Olympia als fremde Macht
Bild: Skatet auch selbst: Veith Kilberth
Interview Carlotta Kurth
taz: Herr Kilberth, Skaten gilt seit den 1970er-Jahren als alternative
Subkultur, die rebellieren will. Gegen was eigentlich?
Veith Kilberth: Im Sinne einer „Counterculture“ geht es darum, anders zu
sein, nonkomform und selbstbestimmt. Zwar ist das leiser und weniger
aggressiv geworden, aber das macht die Skateboardkultur immer noch aus.
Warum forschen Sie in Flensburg zu so einem Thema?
Professor Jürgen Schwier lehrt hier an der Europa Universität und einer
seiner Forschungsschwerpunkte sind Trendsport und sportbezogene
Jugendforschung. Er war einer der ersten Forscher, die sich Ende der
1990er-Jahre mit dem Phänomen Skateboarding wissenschaftlich
auseinandergesetzt haben.
Ist Skateboarding in der Wissenschaft ein Spezialthema?
Ja. Jürgen Schwier und ich haben einen wissenschaftlichen Band über
Skateboarding herausgegeben, der das Spannungsfeld zwischen jugendlicher
Bewegungskultur und Kommerzialisierung behandelt. In der Wissenschaft wird
Skateboarding erst jetzt etwas populärer.
Inwiefern grenzt sich Skateboarding gegenüber anderen Sportarten ab?
Durch seine Ausdrucksfähigkeit. Skaten durchdringt all deine
Lebensbereiche, alle deine Freunde sind Skater und Skaterinnen, die
Klamotten, die Musik hat etwas damit zu tun. Es ist identitätsstiftend.
Skaten wird so zu einem Lebensgefühl. Man kann experimentieren und
selbstbestimmt an seine Grenzen gehen, ohne dass es von außen vorbestimmt
wird. Es ist ein Vehikel der jugendlichen Vergemeinschaftung.
Ist das der Grund, warum viele Skater dagegen sind, dass Skaten 2020
olympisch wird?
Also mit X Games und Street League haben wir ja schon seit längerem so
etwas wie Weltmeisterschaften. Aber mit den Olympischen Spielen geht die
sportliche Institutionalisierung von Skateboarding einher. Das heißt, es
wird zu einer offiziellen Sportart. Regeln müssen erlassen und Kampfrichter
sowie Trainer ausgebildet werden. Die Welt des Leistungssports wirkt
befremdlich auf die Skateboard-Szene. Man hat das Gefühl, dass die
Identität von Skateboarding neu verhandelt wird. Mit Olympia greift eine
fremde Macht ein.
Wer sind die Skateboarder, die Olympia unterstützen?
Das sind eigentlich nur diejenigen, die direkt davon profitieren.
Wettbewerbsskater, die sich genau in diesem Bereich sehen, die einen Trick
trainieren nur für einen bestimmten Wettkampf. Das ist aber wirklich die
Minderheit der Skater.
Wird es nach Olympia zwei Lager geben?
Es gibt durchaus ein gewisses Potential dazu. Dadurch, dass es aber nur
wenige sind, die Olympia befürworten, wird es nicht die ganze Szene
spalten. Je mehr Skateboarding in die Sportrichtung geht, umso mehr
Skateboarder wollen sich davon abgrenzen. Die subkulturelle Gestalt wird
also wenig beeinflusst.
Sind Sie pro oder kontra?
Ich schließe mich der Haltung von Tony Hawk und Co. an, die sagen, dass
Olympia Skateboarding mehr braucht als Skateboarding Olympia. Aber ich sehe
durchaus auch die positiven Aspekte, wie die Förderung der Teilhabe von
Frauen oder die infrastrukturelle Förderung. Perspektivisch werden
vielleicht mehr Skateparks gebaut. Außerdem wird sich der Bekanntheitsgrad
von Skateboarding weltweit erhöhen.
Warum glauben Sie, dass durch Olympia mehr Frauen skaten werden?
In Tokio treten insgesamt 40 Männer und 40 Frauen an, wobei dieses
paritätische Verhältnis überhaupt nicht den aktuellen Stand widerspiegelt.
Eigentlich sind es derzeit grob geschätzt nur zehn Prozent Mädchen und
Frauen, die skaten. Dadurch, dass durch die Olympia-Teilnahme auch das
Frauenskaten gefördert wird, ist es viel populärer geworden. Das hat auch
dazu geführt, dass es bei immer mehr Wettkämpfen Frauengruppen gibt, was in
der Vergangenheit nicht selbstverständlich war. Gleichzeitig werden
zunehmend Skaterinnen von Marken der Skate-Szene unterstützt.
Haben es Frauen tendenziell denn schwerer in der Szene?
In der Vergangenheit war das eindeutig der Fall. In den letzten Jahren hat
sich jedoch einiges in eine positive Richtung verändert. Trotzdem kann von
gleichen Verhältnissen jetzt noch nicht die Rede sein. Frauen sind aufgrund
der relativ starken Sportförderung gewissermaßen verdammt, bei
Sportwettbewerben mitzumachen. Das heißt, dass, um gefördert und gesponsert
zu werden, sich Skateboarderinnen vor allem auf das Trickkönnen
konzentrieren müssen. Männer haben hingegen zwei Zugänge zu Sponsoren:
einerseits durch Wettbewerbsergebnisse und andererseits mittels
Video-Dokumentationen von Tricks auf der Straße. Das wird von den Skatern
und den Marken der Szene am stärksten geschätzt. Hier gibt es ein großes
Potential der Frauen, zu den Männern aufzuschließen.
16 Sep 2019
## AUTOREN
Carlotta Kurth
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