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# taz.de -- taz🐾thema: Fühlen lernen mit Pasta
> Vom Glück, Nudeln selber zu machen: Alle Arbeitsflächen sind mit Mehl
> bestäubt, auf dem Küchenboden klebt Teig, alles ist mit plattgewalzten
> Bahnen behängt, sogar die Stuhllehnen
Bild: Bandnudeln sind am leichtesten herzustellen, für Spaghetti braucht es de…
Von Carola Rönneburg
Vor vielen Jahren, als es noch keine veganen Doughnuts am Berliner
Maybachufer gab, konnte man an Markttagen beobachten, wie flinke Frauen in
einem türkischen Imbiss ihren Teig für Gözleme mit langen, dünnen
Holzstäben hauchdünn ausrollten. Bei nächster Gelegenheit legte ich mir so
einen Rollstab zu, probierte mich an einem Teig und gab sofort wieder auf.
Ohne fachliche Anleitung würde die Übung nicht gelingen.
Stattdessen beschloss ich, mich der Nudelherstellung zu widmen, und um
nicht erneut das Küchentuch schmeißen zu müssen, kaufte ich mir eine
Nudelmaschine. Ich hoffte sehr, dass sie nicht das Schicksal so vieler
Küchengeräte teilen müsste, die Hobbyköche sich im Laufe ihres Lebens
anschaffen und die nach einer Weile in den Keller verräumt werden.
Eine klassische Nudelmaschine besteht aus dem wuchtigen Grundmodell, hat
eine Kurbel und eine Schraubzwinge, um sie auf der Arbeitsfläche zu
befestigen. Die Kurbel kann einem manchmal runterfallen. Es gibt diverse
Aufsätze, mit denen die Teigplatten in Bandnudeln oder Spaghetti
zerschnitten werden, sogar einen Ravioli-Aufsatz. Bandnudeln sind am
leichtesten herzustellen, für Spaghetti braucht es bedauerlicherweise den
perfekten Teig, weil die Nudeln auf gar keinen Fall zusammenkleben dürfen,
wenn sie herausgekurbelt werden.
Aller Anfang besteht jedoch darin, den Teig von den beiden Walzen der
Maschine pressen zu lassen und dabei den Abstand zwischen ihnen Schritt für
Schritt zu verkleinern, bis ein zarter Stoff entstanden ist. Der Nudelteig
hat es gern, wenn er alle Stufen der Maschine durchläuft, aber man darf
auch schummeln und eine oder zwei überspringen.
Mein erster Teig war zu weich. Anstatt sich willig durch die Walzen kurbeln
zu lassen, verklebte er die Maschine, meine Hände und das Küchenbrett. Die
verbesserte Version war immer noch zu feucht, sodass sich die gewalzte
Bahn, die über den Rand der Maschine glitt und auf dem Brett landete,
gleich wieder zusammenschloss. Der nächste Teig trocknete zu schnell – als
ich die Teigbahnen vom Bandnudelaufsatz erfassen ließ, zersplitterten sie.
Die Nudelmaschine lehrt ihren Benutzer zu fühlen, wann ein Teig die
richtige Konsistenz hat, und so seltsam das klingen mag: Man vergisst es
nicht. Nach dem ersten erfolgreichen Experiment mit meiner Nudelmaschine
war ich dennoch geschafft. Alle Arbeitsflächen waren mit Mehl bestäubt, auf
dem Küchenboden klebte Nudelteig und aus den Regalen ragten
Kochlöffelstiele und mein Gözleme-Rollstab, alles war mit Nudeln behängt,
sogar die Stuhllehnen. Ich hatte unterschätzt, wie viel Nudelmasse
entsteht, wenn sie erst ordentlich plattgewalzt ist.
So wie sich nicht sicher sagen lässt, wer zuerst Nudeln gekocht hat –
Chinesen, Araber oder Italiener, die die Urheberschaft am hartnäckigsten
beanspruchen –, so wenig lässt sich sagen, wer die Nudelmaschine erfand.
Vermutlich haben überall auf der Welt Menschen Mittel und Wege gefunden,
Muskelkraft zu sparen. Ein Nudelmaschinenentwickler für gepresste Spaghetti
und Maccheroni war der italienische Wissenschaftler Innocenzo Manzetti. Er
hatte eine Nudelmaschine auf dem Papier entworfen. Sie bestand aus einem
Zylinder, in dem ein per Kurbel bewegter weiterer Zylinder den Teig durch
zwei Paletten auf eine gelochte Scheibe und aus der Maschine hinaustreiben
sollte.
Im Juni 1857 meldete Manzetti seine „macchina per la pasta“ in Frankreich
und Belgien zum Patent an und bekam sofort Ärger. Das „Königliche Institut
für die Förderung der Naturwissenschaften“ der beiden Sizilien – der
Zusammenschluss des Königreichs auf der Insel Sizilien mit dem
Festlandkönigreich Sizilien – warf ihm vor, eine wichtige Information über
die Bewegungen seiner Maschine für sich behalten zu haben. „Wie alle
Franzosen“ habe er dies bewusst getan.
Es wird angenommen, dass Manzetti die Maschine nicht bauen, sondern das
Patent verkaufen wollte. Das geschah erst 1896: ein englischer Unternehmer
erstand es „für einen Mindestbetrag“, meldete die Zeitung L’Echo des
Agriculteurs Valdôtains. Manzettis Pech mit Patenten sollte anhalten: Der
spätere Erfinder des Telefons wurde mit seiner Methode der
Sprachübertragung nie berühmt, weil ihm Geld für das Patent fehlte.
Manzetti ging sicherlich von einem fertig gekneteten Teig aus, der seine
Maschine passieren sollte. Heute gibt es Nudelmaschinen mit Motor auch für
den Haushalt. Neuere Modelle besitzen eine eingebaute Waage und berechnen,
wie viel Flüssigkeit dem Mehl oder Grieß hinzugefügt werden soll – eine Art
Teig-„Thermomix“. Wie aber schon die wunderbare Köchin und Kochbuchautorin
Marcella Hazan 1992 sagte: „Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, einen
dieser ‚neumodischen‘ Apparate zu kaufen, die am einen Ende Eier und Mehl
zusammenkneten und am anderen verschiedene Pastaformen herauspressen.“ Was
da herauskäme, sei ein klebriges, nicht akzeptables Produkt: „Außerdem ist
es eine Plage, die Maschine zu reinigen.“
Tatsächlich liegt vor der Freude an der Nudelmaschine die Arbeit. Kneten,
kneten, kneten bleibt wichtig, auch die Ruhe für den fest in
Frischhaltefolie eingewickelten Teig im Kühlschrank. Aber dann geht es
mittels Kurbel rund – und bald weiß man nicht mehr, wohin mit den Bahnen.
Nudeltag ist deshalb auch Aufräumtag: Alle Flächen freimachen und mit
leicht bemehlten Küchentüchern auslegen, auf den Küchentisch kommt ein
Laken, und dann beginnt – heute – ein beruhigender Prozess: Teigstück für
Teigstück in die Maschine geben, kurbeln, weglegen. Eine Stufe
weiterstellen, kurbeln … Wer es eilig hat: Einem engagierten Küchenhelfer
kann man die Nudelbahn quasi direkt auf seinen möglichst langen Unterarm
kurbeln.
Den Ravioli-Aufsatz habe ich einmal ausprobiert. Er ist vermutlich für sehr
geduldige, sehr präzise und nervlich enorm belastbare Menschen geschaffen.
Ich mache meine Ravioli auf dem Tisch: Auf eine Teigbahn kommt die
Füllung, für kleinere Objekte mit dem Espressolöffel abgemessen, und eine
Klebekante aus einer Eigelb-Wassermischung. Zur Sicherheit, damit die
Kanten gut verschlossen bleiben und der Füllung beim Kochen nichts
geschieht. Luftbläschen sind verpönt, also drücke ich die obere Teigbahn
sanft an. Fürs Auseinanderschneiden nehme ich im Moment gern ein
Teigrädchen, weil so ein hübscher welliger Rand entsteht. Geduldige, sehr
präzise und nervlich enorm belastbare Hobbyköche arbeiten vermutlich so,
dass sie keinen Überschuss produzieren. Ich finde den Überschuss sehr
praktisch: Ihn kann man in den Topf werfen und ausprobieren, welche
Kochzeit die frische Ware benötigt.
Ob die Ravioli übrigens geometrisch genau sind, ist mir egal. Mitten unter
allen Nudelsorten, von Abissini, die noch mehr Werkzeug verlangen, bis zu
Zembi, eigentlich auch Ravioli, gibt es noch die Malfatti – die schlecht
gemachten.
21 Sep 2019
## AUTOREN
Carola Rönneburg
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