# taz.de -- Kohle wird weichen | |
> Der grüne Umweltsenator legt ein Konzept vor, wie Hamburg bis spätestens | |
> im Jahr 2030 den Ausstieg aus dem Heizen mit Kohle schaffen will. | |
> Kostenpunkt: 750 Millionen Euro | |
Von Sven-Michael Veit | |
Jetzt können Jens Kerstan und seine Grünen selbstbewusst der | |
Bürgerschaftswahl am 23. Februar entgegensehen. Denn der Umweltsenator, der | |
dies auch in der nächsten Legislaturperiode gerne bleiben möchte, | |
präsentierte am Freitag ein Konzept für eine klimafreundliche | |
Fernwärmeversorgung Hamburgs. Spätestens 2030 soll Kohle die Hamburger | |
CO2-Bilanz nicht weiter verdunkeln, und Kerstan gibt für die Wärmewende | |
eine Preis- und Versorgungsgarantie. | |
Derzeit werden rund 489.000 Hamburger Haushalte mit Fernwärme versorgt – | |
den Großteil liefert das Kohlekraftwerk Wedel. Allein dort fallen dafür | |
jedes Jahr rund 360.000 Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids CO2 an. | |
Geplant ist nun, das 60 Jahre alte Kohlekraftwerk Wedel in der Heizperiode | |
2024/2025 abzuschalten. | |
Weitere Säule des Konzepts: Das Kraftwerk Tiefstack soll bis spätestens | |
2030 ohne Kohle laufen. Zunächst soll auf Erdgas und danach auf sogenanntes | |
Grüngas und auf Wasserstoff umgerüstet werden. | |
Was bisher an Energie in den beiden großen Kohlekraftwerken erzeugt wird, | |
soll ersetzt werden durch einen Mix aus der Nutzung industrieller Abwärme | |
und Müllverbrennung sowie dem neuen „Energiepark Hafen“. Auf der Dradenau | |
soll mit umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplung fast die Hälfte der | |
künftig benötigten Wärmeleistung erzeugt werden. Dazu gehören auch eine | |
Power2Heat-Anlage, die überschüssigen Windstrom in Wärme umwandelt, und | |
einen Tiefenspeicher, der bis zu 50.000 Kubikmeter heißes Wasser für den | |
kurzfristigen Einsatz bereithält. | |
An die 380 Millionen Euro soll das kosten, rechnet Michael Beckereit vor, | |
Geschäftsführer der Wärme Hamburg GmbH. Diese städtische Gesellschaft setzt | |
nach dem Erwerb des Fernwärmenetzes vom schwedischen Energiekonzern | |
Vattenfall die Wärmewende in Hamburg um. Für 170 Millionen Euro soll eine | |
Leitung unter der Elbe hindurch nach Bahrenfeld verlegt werden. Damit | |
würden Dradenau und die benachbarte Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm | |
an das bestehende Fernwärmenetz angeschlossen. Weitere 200 Millionen Euro | |
müssen Hamburg Wasser und die Stadtreinigung aufbringen. | |
Damit erfordert die Wärmewende in Hamburg Investitionen von 750 Millionen | |
Euro, „konservativ gerechnet“, wie Kerstan und Beckereit versichern. Wenn | |
also nichts Unvorhersehbares passiert oder die Kreditzinsen in Europa | |
plötzlich explodieren, dürfte es eher günstiger werden. | |
Der Volksentscheid vom September 2013 hatte die Stadt verpflichtet, die | |
drei Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme von den Konzernen | |
Vattenfall und Eon Hanse zurückzukaufen. Das Stromnetz wurde bereits 2015 | |
für 610 Millionen Euro übernommen, das Gasnetz 2017 für 275 Millionen Euro. | |
In diesem Jahr hat Hamburg rückwirkend zum 1. Januar das Fernwärmenetz für | |
950 Millionen Euro gekauft. Damit gewinne die Stadt „die energiepolitische | |
Gestaltungsfreiheit zurück“, frohlockte Kerstan im April, als der Kauf | |
bekannt gegeben wurde. | |
Ein Stolperstein könnte bei der Wärmewende die Leitung nach Bahrenfeld | |
sein. In den betroffenen Stadtteilen Othmarschen und Groß Flottbek regt | |
sich Widerstand gegen die geplante Trasse und vor allem jahrelange | |
Bauarbeiten in den grünen Villenvierteln an Parkstraße und Groß Flottbeker | |
Straße. | |
Symbol des Protestes gegen die neue Trasse ist ein rotes, lindwurmartiges | |
„Energiemonster“. Dem wird Umweltsenator Jens Kerstan am Montagabend | |
begegnen. Ab 19 Uhr diskutiert er mit den AnwohnerInnen in der Aula der | |
Volkshochschule West in der Waitzstraße 31. | |
14 Sep 2019 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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