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# taz.de -- Blutig, aber freundlich
> Bürgermeister Tschentscher stellte sich in Wilhelmsburg der Kritik von
> Bürger*innen. „Extinction Rebellion“ protestierte mit Kunstblut gegen die
> Klimapolitik des Senats
Bild: Machte optisch was her: Protestaktion in Wilhelmsburg
Von Inga Kemper
Es sollte eine rebellische Aktion werden: Mit rot bemalten Händen stellten
sich die Umweltaktivist*innen von „Extinction Rebellion“ hinter
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) auf der Bühne im Wilhelmsburger
Bürgerhaus auf. Still schwebten Banner mit Aufschriften wie: „Systemwandel
statt Klimawandel“ hinter Tschentschers Kopf. Die Aktion war aber schon zu
Beginn des Abends vom Moderator angekündigt worden und überraschte weder
den Bürgermeister, noch die anwesenden Wilhelmsburger*innen, die zum
Bürger*innendialog gekommen waren.
Dabei war die Botschaft der Aktivist*innen klar: „Wenn Sie nicht handeln,
klebt das Blut unserer Kinder auch an Ihren Händen“, sagte eine Aktivistin
und überreichte Tschentscher ein Buch über den Klimawandel. Für die
jugendlichen „Rebell*innen“ gab es im prall gefüllten Saal trotzdem viel
Applaus, denn die meisten Anwesenden waren aus Unmut über die Stadtplanung
des Bürgermeisters zum Dialogabend gekommen. Tschentscher will die
Stadtautobahn A-26-Ost durch den Wilhelmsburger Süden bauen und außerdem
Bäume für neue Wohnungen fällen lassen. Anfang der Woche besetzten
Aktivist*innen deshalb über mehrere Tage in Baumhäusern den gefährdeten
Wald (taz berichtete).
Anwohner*innen befürchten nicht nur durch die Abholzung, sondern auch durch
mehr Abgase eine schlechtere Lebensqualität: „Wir wollen nicht mehr der
Rußpartikelfilter der ganzen Stadt sein“, sagte der Moderator zu Beginn des
Bürgerdialogs und fasste damit schon vorab den Schwerpunkt der Diskussion
zusammen. Trotz vieler Buhrufe zu Tschentschers geplanter Autobahn, die
laut ihm in einem unterirdischen Tunnel fast unsichtbar sein soll, verlief
der Mittwochabend im Bürgerhaus geordnet.
Die Redner*innen auf der Bühne wurden nicht müde, sich für Tschentschers
Kommen zu bedanken, denn er sei der erste Bürgermeister, der sich zu einem
Dialog nach Wilhelmsburg traue. Als ein Mann im Publikum wiederholt
pöbelte, wurde er von der Polizei abgeführt. Die anderen Teilnehmer*innen
applaudierten der Polizei. Die Chance, Tschentscher ins Gewissen zu reden,
wollten sie offenbar nicht verspielen.
Tschentscher ließ die Kritik der Bürger*innen, unter anderem an mangelnden
ÖPNV-Verbindungen, geduldig über sich ergehen, um zu erklären, dass er sich
für den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln und für eine klimaneutrale
Mobilität in der Stadt einsetze. Dafür bekam auch er einigen Beifall und
stimmte vielleicht sogar die eine oder andere Person im vorwiegend älteren
Publikum milde.
Auf Umweltschutz konnten sich alle einigen, egal, ob bei der geplanten
Autobahn, dem Bauvorhaben am Spreehafen oder dem öffentlichen Nahverkehr.
Während die Wilhelmsburger*innen die Autobahn als Luftverpester sehen,
argumentierte Tschentscher, sie halte den Verkehr aus dem Viertel heraus.
Auch die geplante Neubausiedlung im jetzigen Waldgebiet käme der Umwelt
zugute, behauptete der Bürgermeister. Schließlich schaffe sie Abhilfe bei
der Wohnungsnot, die Menschen immer weiter an den Stadtrand dränge, was
mehr Pendelverkehr, also mehr CO2-Ausstoß zur Folge habe.
Tschentscher schaffte es nicht, die Bürger*innen zu überzeugen. Auf seinen
Vorschlag, Grünflächen nach Rodung an anderer Stelle zu pflanzen,
reagierten viele Anwesende mit Kopfschütteln. Eine Rednerin veranlasste
eine Schweigeminute für die Umweltzerstörung der letzten vierzig Jahre, die
sie in einem Atemzug mit der Hamburger Stadtplanung nannte.
Der Diskussionsabend endete nach zwei Stunden, dann musste der
Bürgermeister zum nächsten Termin. Da waren die Schlangen vor den
Frage-Mikrofonen noch lang. Obwohl viele Fragen offen blieben, bedankte
sich das Publikum mit Applaus beim Moderator und sogar bei Tschentscher.
13 Sep 2019
## AUTOREN
Inga Kemper
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