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# taz.de -- nord🐾thema: Faire Hilfe gegen unfaire Vermieter
> Oft hilft bei Ärger mit VermieterInnen nur der Mieterverein. Hamburg
> hilft jenen MieterInnen, die die Mitgliedsbeiträge nicht zahlen können
Von Anja Junghans-Demtröder
Viele HamburgerInnen fühlen sich den Forderungen Ihrer VermieterInnen
schutzlos ausgeliefert. Die Auseinandersetzungen um die Höhe von Mieten,
Nebenkosten, Modernisierungen und Sanierungen können sie oftmals nur mit
Hilfe von MietrechtsexpertInnen bewältigen.
So war es auch bei Heiko E. (Name ist der Redaktion bekannt), der sein
Apartment in St. Georg seit 2003 bewohnt. Im Jahr 2015 wurde das Haus, in
dem er lebt, aufgestockt und modernisiert, viele Baumaßnahmen wurden in
seiner Wohnung durchgeführt. Die Arbeiten belasteten ihn stark: „Ich wurde
total im Stich gelassen und hatte erhebliche Kosten für die
Wiederherstellung meines Apartments“, sagt E. Wenigstens konnte er dem
Baulärm entkommen: „Mithilfe des Mietervereins habe ich eine
Ausweichwohnung erhalten und so die schlimmsten Arbeiten in meiner Wohnung
überstanden.
Für die Unterbringung seiner Sachen sei ihm ein Kellerraum zugebilligt
worden. „Aber dieser wurde mir wieder weggenommen. Dabei hatte man mir
zugesichert, dass ich den Keller behalten darf“, sagt E. Seinen Anspruch
auf den Kellerraum lässt er momentan gerade gerichtlich klären.
„Wohnen ist ein Grundrecht“, sagt Rolf Bosse, beratender Rechtsanwalt beim
Mieterverein zu Hamburg. „Jeder Mieter hat das Recht, sich gegen unfaire
Vermieter zur Wehr zu setzten.“ Dabei hilft auch die Stadt: Eine durch den
Mieterverein angestoßene Kooperation mit der Behörde für Soziales, Familie
und Integration (Basfi) ermöglicht den Empfängern von Transferleistungen,
die Hilfe des Vereins in Mietrechtsangelegenheiten in Anspruch zu nehmen.
„Wenn Bezieher von Sozialleistungen wie beispielsweise Grundsicherung
Probleme mit dem Vermieter haben, helfen wir: Handelt es sich um
gravierende Beeinträchtigungen oder große Mängel, übernimmt die zuständigen
Dienststelle – das Fachamt Grundsicherung oder das Jobcenter – für ein Jahr
die Kosten für eine Mitgliedschaft im Mieterverein“, sagt Basfi-Sprecher
Martin Helfrich. „Die zuständige Dienststelle erstellt eine Erklärung zur
Übernahme der Kosten, die Betroffene beim Mieterverein vorlegen.“
Im Jahr 2018 nahmen mehr als 1.100 TransferleistungsempfängerInnen Beratung
und Hilfe in Anspruch. Dadurch konnten unberechtigte Forderungen der
VermieterInnen von fast 150.000 Euro abgewendet werden. Insgesamt mussten
Forderungen in Höhe von 225.284 Euro nicht gezahlt werden. Im Schnitt hat
so jeder Leistungsempfänger rund 140 Euro eingespart.
Mit Hilfe der Mietervereine werden jedes Jahr auch zahlreiche
Betriebskostenabrechnungen und Mieterhöhungen überprüft, denn jede zweite
Betriebskostenabrechnung ist laut Bosse fehlerhaft. „In einem Fall wurden
1.400 Euro Kabelfernsehgebühren einem einzelnen Mieter zugeordnet“, sagt
er. Er erinnert sich auch an MieterInnen , denen 500 Euro für den
Winterdienst in Rechnung gestellt worden seien. Bei Betriebskosten und
Mieterhöhungen wirke der Prüfungseffekt durch den Mieterverein auch in den
folgenden Jahren weiter.
Für Bosse ist die derzeitige Mietenexplosion das Ergebnis der häufigen
Überbewertung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch die VermieterInnen.
Die Miete werde im Oberwert des Mietspiegels angesetzt, aber der Wohnraum
rechtfertige diese Einordnung nicht. Ohne Widerspruch müsse die zu hoch
angesetzte Miete aber gezahlt werden. „Das wirkt sich sowohl auf die Miete
der jeweiligen Wohnung als auch auf den Mietspiegel aus.“
Bosse sieht im Bereich der gesetzlichen Bestimmungen Verbesserungsbedarf.
Zum Beispiel bei Modernisierungen: Wenn notwendige Instandsetzungsarbeiten
eines Hauses im Rahmen einer Modernisierungsmaßnahme mit erledigt werden,
stellt sich die Frage: Welche Kosten darf der Vermieter auf die Miete
umlegen? „Im Gesetz gibt es dafür keine klaren Regeln, das nutzen Vermieter
aus“, sagt Bosse. „Immerhin konnten bei Modernisierungen unzulässige
Mieterhöhungen durch Feststellung von Mietmängeln wie Feuchtigkeit,
Schimmel oder undichte Fenster abgewehrt werden.“
Neben Hilfe bei Mängeln oder unzulässig hohen Kosten hat der Mieterverein
im vergangenen Jahr in 141 Fällen Leistungsberechtigte wegen der Kündigung
ihrer Wohnung beraten. In den meisten dieser Fälle ging es um Kündigungen
wegen Eigenbedarfs. So wollte ein Vermieter, der in einem großen
Einfamilienhaus lebt, plötzlich in die 50-Quadratmeter-Wohnung seines
Mieters einziehen. Hier konnte mit Hilfe des Mietervereins sehr leicht
aufgedeckt werden, dass der Bedarf vorgeschoben war. Manchmal ist
Eigenbedarf aber auch begründet: „Dann helfen wir dem Mieter, eine
Wohnperspektive zu finden“, sagt Bosse.
Bezahlbarer Wohnraum wird jedoch immer knapper. Mit dem Wegfall der
Wohnungsgemeinnützigkeit gibt es auf dem deutschen Wohnungsmarkt keine
solidarische Wohnraumpolitik mehr. Diese müsse nach Meinung des
Mietervereins wieder hergestellt werden. Ebenso fordert der Mieterverein
die Einführung eines kollektiven Mietrechts nach schwedischem Vorbild. Das
sieht Mieterräte vor, die sich mit VermieterInnen gemeinsam an den
Verhandlungstisch setzen – damit nicht jeder Mieter als Einzelkämpfer
auftreten muss.
31 Aug 2019
## AUTOREN
Anja Junghans-Demtröder
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