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# taz.de -- petition der woche: Sitzt Manfred Genditzki zu Unrecht im Gefängni…
Wenn Manfred Genditzki frei wäre, könnte er am Wochenende mit seinen
Kindern schwimmen gehen oder in den Park. Aber Genditzki geht nicht raus:
Seit über zehn Jahren sitzt er im Gefängnis. 2008 soll er in Rottach-Egern
die Rentnerin Lieselotte Kortüm getötet haben. So urteilte das Landgericht
München II. Viele Menschen halten Genditzki aber für unschuldig: Über 800
Personen fordern in einer Petition an den bayerischen Justizminister, dass
Genditzkis Verfahren wieder aufgenommen wird. Wer „lebenslang unschuldig“
googelt, findet sie sofort.
Im Oktober 2008 soll Manfred Genditzki Kortüm geschlagen und dann in der
Badewanne ertränkt haben, um die Tat als Unfall zu tarnen. An jenem Tag
hatte Genditzki Kortüm aus dem Krankenhaus abgeholt. Bekannte sagen, der
damals 48-jährige Hausmeister habe sich rührend um sie gekümmert. Der
Staatsanwalt aber glaubte zuerst, dass sich Genditzki an Kortüm bereichern
wollte und ihr Geld unterschlug. Als klar wurde, dass nichts fehlte,
präsentierte er ein neues Motiv: Nun sollten die beiden gestritten haben.
Zeugen gab es nicht. Dennoch wurde Genditzki zu lebenslanger Haft
verurteilt, weil ein Gutachter einen Unfall ausschloss.
„Dieser Streit ist eine Erfindung der Justiz“, sagt Regina Rick. Als
Anwältin Genditzkis kämpft sie seit über sechs Jahren für seinen
Freispruch. Mit Spenden ließ Rick Gutachten erstellen, die über 30.000 Euro
gekostet haben. Demnach sei Kortüm später gestorben – durch einen Sturz in
die Badewanne. Zu einer Zeit, für die Genditzki ein Alibi hat. Anfang 2019
bestätigt eine Zeugin, dass Kortüm schon früher oft gestürzt sei und die
Angewohnheit hatte, Wäsche in der Badewanne einzuweichen. Dies hatte das
Landgericht München II ausgeschlossen.
Im Juni hat Anwältin Rick beim Landgericht München I beantragt, das
Verfahren wieder aufzunehmen. Noch wartet das Gericht auf eine
Stellungnahme der Staatsanwaltschaft. Jetzt soll die Petition den Druck
erhöhen. Aufgesetzt hat sie unter anderem Ursula Janssen, die frühere
Ärztin Genditzkis. Unterstützt wird sie von Stanislaus Benecke, der
Genditzki noch nie getroffen hat. Von der Petition erhofft er sich, dass
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich die Gerichte am Ende bitten wird,
„noch mal in sich zu gehen“.
Benecke und Rick bezweifeln, ob die neuen Instanzen unvoreingenommen
entscheiden. Sehr eng sei die Verbindung zwischen Landgericht München I und
II. „Es herrscht in Bayern ein enormer Korpsgeist zwischen Polizei,
Gerichten und Staatsanwaltschaft“, kritisiert Rick. Auch im Fall von Gustl
Mollath habe die Justiz Fehler höchstens zögerlich zugegeben. Die Chancen
auf ein neues Verfahren lägen „im Promillebereich“. Dabei ist die Lage für
Rick klar: „Wenn die Wiederaufnahme nicht durchgeht, sind die Vorschriften
dazu sinnlos. Es ist nachgewiesen, dass die Dame viel später starb, als vom
Gericht angenommen. Nichts spricht dafür, dass Herr Genditzki schuldig
ist.“
Bei der Staatsanwaltschaft war niemand für eine Stellungnahme erreichbar.
Justizminister Eisenreich wollte sich nicht äußern, er verwies auf die
Unabhängigkeit der Justiz. Anders hatte Horst Seehofer als
Ministerpräsident Bayerns gehandelt: Im Fall Mollath hatte er für eine
Überprüfung plädiert. Lina Verschwele
31 Aug 2019
## AUTOREN
Lina Verschwele
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