# taz.de -- Junge Menschen und die Formidee | |
> Übungen von Studenten aus den 1930er Jahren belegen in der Alfred Erhardt | |
> Stiftung die Weitergabe der Bauhauslehre | |
Bild: Fotografie einer originalen Schülerarbeit aus dem Vorkurs Fritz Schleife… | |
Von Zora Schiffer | |
Der vom Bauhaus beeinflusste Architekt und Kunstlehrer Fritz Schleifer ist | |
seit Juli 2019 in der Galerie der Alfred Erhardt Stiftung in Berlin-Mitte | |
vertreten. Nicht eigene Werke, sondern die seiner Studenten der Vorkurse | |
von 1930 bis 1933 an der Landeskunstschule Hamburg stehen im Fokus. Bereits | |
1931 wurden die Arbeiten dort im Kunstvereinshaus als Zeichen einer | |
modernen Kunstakademie präsentiert. Den Krieg überlebten die meisten der | |
1933 als entartete Kunst deklarierten Werke nicht. Die jedoch, die es im | |
Original oder in fotografischer Reproduktion schafften, scheinen wie so | |
vieles aus dem Bauhaus-Kontext noch heute subversiv in ihrer Kraft und | |
Schlichtheit. Von der Weimarer Republik über den Zweiten Weltkrieg und die | |
Nachkriegszeit bis heute hat sich vieles verändert in der | |
künstlerisch-akademischen Ausbildung. Die ausgestellten Bilder und Briefe | |
weisen einen Zugang zu dieser Geschichte. | |
Als der Kunsthistoriker Max Sauerlandt 1930 zum Leiter der | |
Landeskunstschule in Hamburg ernannt wird, sieht er sich konfrontiert mit | |
einer veralteten Lehrerschaft, im doppelten Sinne. Die Pädagogen und | |
Künstler verkörpern ein konservatives Verständnis der Kunst und ihrer | |
Ausbildung, Sauerlandt dagegen ist bereit für die Moderne. Im Rahmen seiner | |
Möglichkeiten krempelt er die Schule um und stellt drei neue Lehrer ein: | |
Maler und Multitalent Alfred Erhardt und die Architekten Karl Schneider und | |
Fritz Schleifer. So wie Erhardt ist auch Schleifer stark beeinflusst vom | |
Bauhaus, wo er unter anderem bei Kandinsky und Oskar Schlemmer Grundkurse | |
absolviert und das Konzept der Vorlehre kennengelernt hat. Damit beginnt | |
für die Hamburger Schüler in ein neues Zeitalter: Vor dem Hauptstudium in | |
den Fachklassen sollen sich alle Studierenden zwei Semester lang | |
grundlegenden Übungen der Gestaltung unterziehen. | |
Ein Zitat aus Sauerlandts Eröffnungsrede zur Ausstellung 1931 zeigt die | |
Überzeugung hinter seinem Konzept: „Es ist Sinn und Aufgabe der beiden | |
Vorklassen (…), in den jungen Menschen, die ihr Talent der Ausbildung durch | |
die Schule anvertrauen, das Gefühl für die in allen Bildstoffen latent | |
lebendigen Kräfte zu wecken. Hier sollen sie in der unmittelbaren Berührung | |
mit allen nur denkbaren Stoffen und Werkzeugen lernen, daß das Kunstwerk | |
nicht Wiederholung eines Modells, nicht Ausführung eines Entwurfs, sondern | |
bewußte Gestaltung einer Formidee aus dem Wesen und den inneren | |
Lebenskräften des Stoffes ist.“ | |
Was in der aktuellen Ausstellung sofort deutlich wird, sind die Sorgfalt | |
und der Respekt, mit denen Fritz Schleifer die Übungsarbeiten seiner | |
Schüler behandelte. Fotografien von Objekten und Bildern sind liebevoll | |
angeordnet und beschriftet. Ausgewählte Objekte aus Glas, Metall, Papier, | |
Garn und Holz fotografiert er nicht nur dokumentarisch, sondern schafft | |
daraus autonome Werke. Das Material der Fotografie, Glasplatten und Patina | |
und das Spiel mit der Positionierung des Objektes und seinen Schatten | |
eröffnen eine weitere Ebene im Prozess von Gestaltung und Darstellung. | |
Wenn es nach den Nationalsozialisten gegangen wäre, wären alle Zeugnisse | |
dieser künstlerischen Ausbildung vernichtet, doch Schleifer dokumentierte | |
sie und versteckte eine Auswahl von Originalen in seinem Keller. Nach dem | |
Krieg beginnt er wieder mit der pädagogischen Arbeit und muss feststellen, | |
dass die aus dem Krieg zurückgekehrten sowie die jüngeren Kunststudenten | |
ausgeschöpft und initiativlos sind. Neben dem Studium müssen sie arbeiten, | |
um sich über Wasser zu halten. Trotz ihres Fleißes kommt es laut Schleifer | |
nicht wieder zu solcher Qualität wie vor dem Krieg. Der Lehrer entwickelt | |
Möglichkeiten, wie die Studenten mit ihrer künstlerischen Arbeit Geld | |
verdienen können. Sie verkaufen Einrichtungsgegenstände und gestalten | |
Stadtfeste wie das 25. Hamburger Künstlerfest. | |
Heute ist ein gemeinsames Grundstudium an Kunstakademien üblich und die | |
Bauhaus-Moderne wirkt gerade im Jubiläumsjahr fast überpräsent. Trotzdem | |
beeindrucken die Arbeiten der Vorklassen Fritz Schleifers und man versteht, | |
warum er sie so gut vor der Geschichte schützte. Sein Sohn Jan Schleifer | |
machte im Keller des Familienhauses den besonderen Fund der Originale, der | |
zu der Berliner Ausstellung führte. Am 15. September endet sie mit einer | |
Führung durch den Kurator und Bauhaus-Forscher Hans Bunge. | |
Alfred Erhardt Stiftung, Di.–So. 11–18 Uhr, Do. 11–21 Uhr, bis 15. | |
September | |
29 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Zora Schiffer | |
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