Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kurdische Kommunalverwaltungen: Bürgermeister in der Türkei abges…
> In Diyarbakır, Van und Mardin setzt die türkische Regierung die gewählten
> Bürgermeister*innen ab. Gouverneure sollen die Geschäfte übernehmen.
Bild: Die Stadverwaltung von Diyarbakır ist seit Jahren umkämpft
Die türkische Regierung hat erneut in drei bevölkerungsreichen Städten
Bürgermeister*innen abgesetzt. Diyarbakır, Mardin und Van gelten als
Zentren der kurdischen Opposition. Hier gewann die Demokratische Partei der
Völker (HDP) die Kommunalwahlen am 31. März mit deutlichem Vorsprung
gegenüber der AKP. Nach Angaben des Innenministeriums wurden die
Bürgermeister*innen dieser drei Städte am Montag ihrer Ämter enthoben.
Vorgeworfen wird ihnen wahlweise Mitgliedschaft in einer Terrorvereinigung
oder Terrorpropaganda. Regieren sollen nun die von der Zentralregierung
eingesetzten Gouverneure der drei Provinzen. In Diyarbakır kam es vor dem
Rathaus zu Protesten. Die Polizei versuchte, das Zustandekommen einer
Kundgebung zu verhindern.
Die erste Amtshandlung des in Van eingesetzten Gouverneurs war es, vor
laufenden Kameras ein Bild des Staatspräsidenten Erdoğan aufzuhängen.
Gleichzeitig wurden die Internetpräsenzen der betroffenen Stadtverwaltungen
abgeschaltet. Das Innenministerium flankierte die Amtsenthebung mit einer
knappen Meldung, bei Operationen gegen die PKK seien in 29 Provinzen bisher
insgesamt 418 Personen festgenommen worden.
In einer ausführlicheren Stellungnahme argumentiert das Ministerium, die
gewählten Bürgermeister*innen hätten vorgehabt, finanzielle Mittel der
Stadtverwaltungen an die kurdische Terrororganisation weiterzuleiten. Dies
gelte es im Sinne des gesellschaftlichen Friedens zu verhindern. Konkret
wird den drei Bürgermeister*innen vorgeworfen, mit der Frauenquote von 50%
und dem damit verbundenen System der genderparitätischen
Ko-Bürgmeisterschaft unbefugte Personen in offizielle Positionen gebracht
zu haben und damit in ihren Stadtverwaltungen eine “vom Ganzen des Landes
abweichende Struktur einführen zu wollen.“ Zudem seien in den
Stadtverwaltungen Angehörige von wegen PKK-Kontakten inhaftierten Personen
angestellt und vereinzelt Straßen und Plätze umbenannt worden.
## Erdoğan hatte vorgewarnt
Nach dem Putschversuch im Juli 2016 waren 95 von 102 Bürgermeister*innen
der HDP abgesetzt und durch staatliche Verwalter ersetzt worden. Derzeit
sitzen 40 dieser Bürgermeister*innen in türkischen Gefängnissen.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte bereits vor den Kommunalwahlen
angekündigt, erneut gewählte Bürgermeister*innen abzusetzen, die sich
seiner Politik widersetzen. Das konfliktreiche Thema war allerdings hinter
der erzwungenen Wiederholung der Istanbuler Bürgermeisterwahlen in den
Hintergrund getreten. Der im zweiten Wahlgang bestätigte Istanbuler
Bürgermeister Ekrem İmamoğlu twitterte, die Amtsenthebung der gewählten
Bürgermeister*innen sei nicht mit den Prinzipien der Demokratie zu
vereinbaren. Dadurch werde der “Wille der Nation“ mit Füßen getreten. Ein…
Schritt weiter ging die Jugendorganisation seiner Partei CHP. Sie erkenne
die Amtsenthebung schlicht nicht als rechtsgültigen Vorgang an.
Der Parteivorstand der HDP sprach von einem „Putsch“, während der
Abgeordnete Garo Paylan warnte, die Amtsenthebungen würden auch vor
Istanbul und Ankara nicht halt machen, wenn jetzt nichts dagegen
unternommen werde.
In Van wurde die Juristin Bedia Özgökçe Ertan abgesetzt, die in der
Vergangenheit als Abgeordnete ihrer Stadt im Parlament gesessen und während
der Incirlik-Krise in der Parlamentarischen Versammlung der NATO die
Belange der türkischen Opposition vertreten hatte.
Der Mediziner Adnan Selçuk Mızraklı hatte neben seiner parlamentarischen
Tätigkeit die zivilgesellschaftliche Organisation der Ärzt*innen in der
Region vorangetrieben, bevor er in Diyarbakır als Bürgermeister
kandidierte. Mızraklı weigerte sich, den ihm zugestellten Bescheid per
Unterschrift zu quittieren. Es wäre für die Bevölkerung, die hinter ihm
stehe, entwürdigend, wenn er einen derartigen Bescheid unterzeichnete,
sagte Mızraklı.
Mit Ahmet Türk wurde in Mardin einer der ältestgedienten Politiker der
Türkei ein weiteres Mal in seiner Tätigkeit eingeschränkt. Der 77-Jährige
begann seine politische Laufbahn 1973 als Abgeordneter der konservativen
Demokratischen Partei, wechselte zu den Sozialdemokraten und trieb 1990
maßgeblich die Gründung einer ersten parlamentarischen Partei voran, die
sich explizit für die Belange der kurdischen Bevölkerungsgruppe einsetzte.
1994 wurde er gemeinsam mit Leyla Zana und anderen zu einer Haftstrafe
aufgrund von Äußerungen während einer Plenarsitzung verurteilt. Nach dem
Putschversuch 2016 kam er erneut in Haft. Er gilt als einer der
beharrlichsten Fürsprecher einer friedlichen Verhandlungslösung zwischen
der PKK und der türkischen Regierung.
AFP, Mitarbeit: Figen Güneş
19 Aug 2019
## AUTOREN
Figen Güneş
Oliver Kontny
## TAGS
taz.gazete
Politik
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.