# taz.de -- heute in hamburg: „Zusehen, wie Menschen sterben“ | |
Interview Carlotta Kurth | |
taz: Herr Beigui, Sie haben viel gesehen bei der Seenotrettung, wie gut | |
schlafen Sie? | |
Dariush Beigui: Das Gesehene beschäftigt mich natürlich viel, das stimmt. | |
Was mir aber noch viel mehr schlaflose Nächte bereitet, ist der Umstand, | |
dass wir mit dem Schiff „Iuventa“ nicht rausfahren dürfen, weil eine Klage | |
gegen uns läuft. Jeden Tag muss ich auf Twitter und in den Nachrichten | |
lesen, dass wieder Boote in Seenot sind. Gerade muss ich tatenlos zusehen, | |
wie jeden Tag Menschen sterben. | |
Worum geht es bei der Klage? | |
Von Juli 2016 bis August 2017 war die „Iuventa“ auf 16 Missionen und hat um | |
die 14.000 Menschen aus Seenot gerettet. Dann wurde das Schiff in Italien | |
beschlagnahmt und gegen mich sowie neun weitere Crew-Mitglieder | |
Ermittlungen aufgenommen. Der Vorwurf lautet Beihilfe zur unerlaubten | |
Einreise. Die Höchststrafe liegt bei 20 Jahren Gefängnis. | |
Halten Sie es für wahrscheinlich, dass das Verfahren eingestellt wird? | |
Nein, dafür hasst uns Salvini zu sehr. Ich glaube, für ihn persönlich ist | |
es ein sehr großer Erfolg, wenn es vor dem Wahlkampf zu einem Prozess gegen | |
uns kommt. Das würde ihm viele Wählerstimmen bringen. Aber ich hoffe | |
natürlich, dass das Verfahren eingestellt wird. Die Ungewissheit ist | |
zermürbend. | |
Beruflich sind Sie Binnenschifffahrer, warum haben Sie sich entschieden, | |
auf Rettung zu gehen? | |
Ich bin aufgewachsen als linker aktiver und politischer Mensch, deshalb war | |
es selbstverständlich, dass ich irgendwann auf so ein Boot steigen werde. | |
Ich wusste, dass die Sachen, die ich kann, gebraucht werden. Insgesamt war | |
ich auf fünf Missionen. | |
Sollte Seenotrettung rein staatlich organisiert werden statt von den NGOs? | |
Natürlich fände ich es toller, wenn das Leute machen würden, die dafür | |
bezahlt werden und ausgebildet sind. Die gehen auch ganz anders mit | |
Stresssituationen um. Ihre erste Frage war, wie ich schlafe. Die | |
Seenotrettung verändert einen natürlich. Eigentlich bin ich Hein Blöd aus | |
dem Hamburger Hafen und fahre dann auf einmal auf solche Missionen. Wie | |
soll man sich als einfacher Hamburger Binnenschiffer darauf vorbereiten, | |
dass, wenn man eine halbe Stunde zu spät kommt, Menschen sterben und man | |
dann noch drei Leichen bergen muss? In der Binnenschifffahrt-Ausbildung | |
wurde ich nicht darauf vorbereitet, jemanden ins Gesicht zu gucken, der | |
nicht mehr lebt. | |
28 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Carlotta Kurth | |
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