| # taz.de -- Lucas Liskowski war zu Besuch in den 80ern: Mit Harry im Ohr über … | |
| Normalerweise hat dit hier ’ne halbe Stunde jedauert. Wenn de Pech hattst, | |
| ham se dir den janzen Bus ausenanderjenomm“, flüstert eine Stimme in mein | |
| Ohr. Der Bus nähert sich unterdessen dem Grenzübergang auf der | |
| Friedrichstraße. Links und rechts blitzt die Mauer auf, überall stehen | |
| ernst dreinschauende Soldaten. | |
| Fast könnte man denken, AKK habe ihre Vision der Soldaten-Hauptstadt | |
| umgesetzt. Wenn sich nicht schon wieder Harry Liedeke zu Wort melden würde. | |
| Harry ist Fliesenleger in Ostberlin und begleitet mich auf meinem Ausflug | |
| hinter den „antifaschistischen Schutzwall“. | |
| Meine Reise durch die Mauerstadt geht auf das Konto von „TimeRide“. Das | |
| 2016 in München gegründete Start-up gewann 2018 den Deutschen | |
| Tourismuspreis. In Köln konnte es schon eine Viertelmillion Menschen zum | |
| Zeitreisen verführen. Denn genau das verspricht TimeRide: eine virtuelle | |
| Zeitreise, um die Geschichte einer Stadt nicht nur zu erzählen, sondern | |
| auch zu visualisieren. | |
| Das funktioniert mit einer Virtual-Reality-(VR)-Brille, die einem das | |
| Handydisplay direkt vor die Augen setzt. Die eingebauten Kopfhörer, aber | |
| auch von Ventilatoren erzeugter Fahrtwind und rüttelnde Sitze – „haptische | |
| Feedbacksysteme“ nennt das TimeRide – lassen das Gefühl einer anderen | |
| Realität entstehen. | |
| Der „Zeitbus“ von TimeRide steht in der Zimmerstraße 91, ab morgen | |
| befördert er zahlende Gäste in die 80er Jahre. Bevor sie Platz nehmen | |
| dürfen, durchlaufen sie aber erst einmal drei weitere, reale Stationen. | |
| Die erste liegt vor der Tür: Am Checkpoint Charlie wird noch einmal | |
| grundlegend über den Eisernen Vorhang aufgeklärt. Station zwei führt zu | |
| einem Nachbau der Berliner Mauer, in den kleine Bildschirme eingesetzt | |
| sind, die den Alltag der geteilten Berliner Bevölkerung zeigt. In einem | |
| Vorraum zum „Bus“ werden schließlich die Biografien der drei zu Auswahl | |
| stehenden fiktiven Begleiter vorgestellt. | |
| Dann heißt es Abfahrt. Plötzlich ein grelles Licht – und der genervte Blick | |
| des Tour-Guides: Jemand hat ein Foto mit Blitz geschossen. Das bedeutet 10 | |
| Minuten Verzögerung, denn die VR-Brillen müssen neu konfiguriert werden. | |
| Als es endlich losgeht, kann ich eine Grenzkontrolle hautnah miterleben. | |
| „Da hat der Fahrer dem Beamten bestimmt ’n Scheinchen zujesteckt. Dit jing | |
| zu glatt“, kommentiert Harry, als wir nach einem kurzen Blick auf unsere | |
| Papiere durchgewunken werden. | |
| Die Tour endet am einstigen Palast der Republik. Im Anschluss heißt es | |
| Erfahrungen verarbeiten und mit denen der anderen abgleichen – denn jeder | |
| „Begleiter“ hat das Geschehen individuell kommentiert. | |
| timeride.de/berlin/ | |
| 23 Aug 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Lucas Liskowski | |
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