# taz.de -- Ausgehen und rumstehen von Marie Serah Ebcinoglu: Die Leute tanzten… | |
Ich gehe neuerdings mit Kater joggen. Das hilft wirklich. Man schwitzt | |
alles raus und fühlt sich danach wie neu geboren. Das Aufraffen ist, bei | |
einer kleinen Runde, auch das Anstrengendste. | |
Am Samstag ist mir meine Kater-Runde erstmals auf den Magen geschlagen und | |
endete nach 2,5 Kilometern bei Penny, mit Taschen voll herzhafter Snacks. | |
Ich war Freitagabend in Charlottenburg unterwegs. Als Zugezogene bewege ich | |
mich sonst nicht aus dem Osten der Stadt heraus, aber im ArtStudio Maria | |
Wirth fand die Vernissage von „FaceAbilities. Portraits à la Art“ statt, | |
auf die mich eine Freundin mitnahm. Man merkt, dass man sich außerhalb | |
Kreuzberg befindet, wenn auf Toiletten öffentlicher Veranstaltungsräume | |
vierlagiges Toilettenpapier ausliegt – wie weich das ist! | |
In der Ausstellung nähern sich sechs Künster*innen dem Genre Porträt auf | |
unterschiedliche Weise. Mal wurde der Kopf auf großflächigen Gemälden | |
räumlich erkundet, mal wurde mit Fotografie auf Naturmaterialien | |
experimentiert. Besonders bemerkenswert war die musikalische Einlage zu | |
Anfang. Der aus Odessa stammende Zhenja Oks bot eine eigenwillige Version | |
eines Porträts und vertonte Stadtgedichte bekannter Lyriker*innen, wie | |
Annette von Droste-Hülshoff. Durch die Mischung aus melodisch-eingängigen | |
Chansons und sperrigen Experimenten mit Stimme und Gitarre entstand für | |
kurze Zeit wehmütige Feierlichkeit, aus der man sich gar nicht richtig | |
rausbewegen wollte. | |
Leider mussten wir das aber recht schnell, da die vielen anwesenden Ü-70er | |
kollektiv zu denken schienen, Anfang 20-Jährige wünschen sich nichts | |
sehnlicher, als von Alten Avancen gemacht zu bekommen. Weiter ging es dann, | |
eine Grundlage bei „The Butcher“ schaffen, um dann mit einigen Freunden und | |
Kollegen eine Abschiedsparty zu feiern. | |
Eher Abrissparty. Wände wurden besprüht, der Teppich muss sicher erneuert | |
werden und in meiner Tasche fand ich am nächsten Morgen eine Rolle | |
Briefmarken. Und so fühlte ich mich dann, wie gesagt, auch Samstagmorgen. | |
Aber ich bin ja jung und pflichtbewusst und schob mich deshalb am nächsten | |
Nachmittag wieder nach Charlottenburg, um eine Freundin abzuholen und mit | |
ihr auf das Sommerfest des Künstlerkollektivs ROH zu gehen. ROH sind fünf | |
Künstler, alle Mitte bis Ende 20, die von Installationen über Grafiken, | |
Malerei und Musik je auf etwas anderes spezialisiert sind. Die | |
verschiedenen Einflüsse waren am Rand der Party auch spürbar. | |
Im Innenhof eines alten Lagerhallenkomplexes aus Backstein, das | |
mittlerweile einigen Künstler*innen als Atelier dient, waren große, | |
grafische Drucke von David Leon Heuers Designs ausgehängt. Eine riesige | |
Video-Installation wurde ab Einbruch der Dunkelheit an eine Seite der Halle | |
projiziert und davor wurde getanzt, getanzt, getanzt. Ich tue mich manchmal | |
schwer mit Techno, wenn in Clubs 45 Minuten der gleiche Track gespielt | |
wird, aber ROH-Produzent und Techno DJ Replica hat wirklich eins der besten | |
DJ-Sets gespielt, die ich bisher gehört habe. Super abwechslungsreich, | |
viele Tracks mit Funk unterlegt und die Leute tanzten sogar auf der | |
Nebelmaschine. | |
Ja, es gab eine Nebelmaschine, ja, ich habe mich ein bisschen wie Shakira | |
gefühlt. Wie jede gute Party wurde auch diese irgendwann von der Polizei, | |
mit einer Lärmbeschwerde, gestört und meine Freundin und ich zogen noch | |
kurz weiter. Wisst ihr, was mir neuerdings gegen Kater wirklich hilft? | |
Einen Abend weitermachen. Am nächsten Tag geht es einem wieder gut. | |
Funktioniert wirklich. Sogar besser als das Laufen. | |
20 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Marie Serah Ebcinoglu | |
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