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# taz.de -- die dritte meinung: Carsten Linnemann stammt aus einer ostwestfäli…
Wer wissen möchte, wie man ein wichtiges Thema innerhalb eines Tages
diskreditiert, der lerne von Carsten Linnemann. Die Sachfrage ist real: Wie
integrieren wir Kinder ohne Deutschkenntnisse in unser Bildungssystem. Und
zwar so, dass es allen guttut – diesen Kindern, anderen Kindern, dem
Schulsystem selbst.
Dass es stattdessen zu einer verkürzten Debatte kam, ist auch der Tatsache
geschuldet, dass Carsten Linnemann aus einer Parallelgesellschaft heraus
gesprochen hat. Seine Erlebniswelt ist anders als die von vielen von uns,
und das hat nur beschränkt mit Migration zu tun. Auch in Berlin oder
Hamburg lebt es sich anders als in Ostwestfalen.
Dreieinhalb Jahre bevor Linnemann sein Abitur in Paderborn gemacht hat, war
ich in meiner eigenen Parallelwelt angekommen – in der Welt von
Flüchtlings- und Aussiedlerheimen in Schleswig-Holstein. Mein Kontakt zu
„Deutschen“ beschränkte sich auf die Sozialamtsberaterin. Für mich hieß …
ich solle mit meinen 18 Jahren zehn Monate auf einen Sprachkurs warten,
bevor ich auf eine Schule oder Uni darf. Dass ich doch ein Jahr vor
Linnemann deutsches Abitur machen konnte, habe ich einem Schulleiter zu
verdanken, der mich ohne Deutschkenntnisse aufgenommen hat. Erst dadurch
konnte ich die Parallelwelten meiner russisch- und albanischsprachigen
Wohnheime verlassen und täglich in die Parallelwelt von Linnemann
eintauchen.
Die Ausgangspunkte einer heterogenen Gesellschaft sind unsere
Parallelwelten. Meine Erfahrungswelt war sicher eine andere als die heutige
Schulwelt in Neukölln oder die von den Großstadteltern, die häufig ihre
Kinder auf Privatschulen schicken müssen, um ihnen noch gute Bildung zu
sichern. Doch bei allen Unterschieden bleibt eines die Konstante: Schulen
bringen unsere Parallelleben zusammen und verknüpfen sie zu einer
Gesellschaft. Daher habe ich einen einzigen, aber grundsätzlichen
Widerspruch zu dem, was Linnemann sagt: Es darf kein Kind geben, das auf
einer Schule nichts zu suchen hat. Über alles andere können wir gerne
diskutieren.
8 Aug 2019
## AUTOREN
Sergey Lagodinsky
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