| # taz.de -- wie machen sie das?: Die Eisbrecherin | |
| Heidrun Wollnik bringt alte und junge Menschen zusammen. Als Ehrenamtliche | |
| beim Verein [1][„Freunde alter Menschen“] organisiert die Rentnerin | |
| Kaffeekränzchen gegen Einsamkeit. | |
| taz am wochenende: Frau Wollnik, Sie arrangieren Treffen zwischen | |
| wildfremden Menschen bei denen alle eine gute Zeit haben sollen. Wie machen | |
| Sie das? | |
| Heidrun Wollnik: Das ergibt sich einfach. Ich organisiere diese | |
| Kaffeetrinken am Freitag schon lange. Da kommt nie Langeweile auf. | |
| Natürlich müssen die Neuen erst auftauen. Aber dann gehen die Leute richtig | |
| aus sich heraus. Das kann ziemlich hohe Pegel erreichen. Die Menschen leben | |
| auf. Sie müssen eher mal Stopp! sagen, als zu ermuntern. Falls wirklich | |
| einmal kein Gespräch aufkommt, helfen Fotos oder Artikel, die man gemeinsam | |
| diskutiert. | |
| Welche Themen gehen gut? | |
| Das verhält sich umgekehrt zum Alter: Die Jungen wollen über die | |
| Vergangenheit reden. Viele wissen gar nicht, was alte Menschen erlebt | |
| haben. Die Alten treibt aber um, wie die Welt heute aussieht. Die wollen | |
| lieber über Aktuelles sprechen. | |
| Gibt es Tabus? Gespräche über den Krieg zum Beispiel? | |
| Nein, überhaupt nicht. Über Sex haben wir jetzt noch nicht gesprochen. Aber | |
| es werden schon mal dreckige Witze erzählt. Da lachen wir dann drüber, und | |
| dann ist auch gut. Wir lachen überhaupt ziemlich viel. | |
| Wer kommt zu Ihnen? | |
| Alte Menschen, in der Regel zwischen 75 und 90. Die meisten von ihnen sind | |
| Witwen, viele waren immer nur für die Familie da. Wenn der Ehemann stirbt | |
| und die Kinder in einer anderen Stadt leben, sind sie plötzlich allein. Da | |
| gibt es nicht unbedingt einen Freundeskreis. Die ganz Einsamen bekommen | |
| wir leider nicht. Für einige schaffen wir „Telefonpatenschaften“: ein | |
| Angebot für Menschen, die nur einmal in der Woche angerufen werden wollen, | |
| aber niemanden zu sich in die Wohnung lassen. Es ist wie in der Schule. | |
| Diejenigen, die es am nötigsten hätten, erreichen wir nicht. | |
| Und die jungen Leute, wer sind die? | |
| Na ja, das bin ich und … | |
| Entschuldigung, aber sind Sie nicht auch schon 67? | |
| Na ja, ich bin vielleicht ein Mittelding. Ich bin schon in Rente, aber ich | |
| denke wie die Jungen. Generell kommen Freiwillige aus allen Kulturen, aus | |
| aller Welt. Zum Beispiel aus Pakistan, Iran oder Ägypten. Allgemein sehe | |
| ich ein Umdenken bei jungen Leuten. Viele wollen sich mehr in der | |
| Nachbarschaft engagieren. | |
| Haben Sie keine Angst, dass sich mal jemand per Enkeltrick bei den Senioren | |
| bereichert? | |
| Nein, überhaupt nicht. Unsere Chefin lädt alle vor dem ersten Treffen | |
| persönlich ein, um ihnen auf den Zahn zu fühlen. Da gab es nie | |
| Verdachtsmomente. | |
| Interview: Lina Verschwele | |
| 27 Jul 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.famev.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Lina Verschwele | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |