# taz.de -- Als es brannte | |
> Zwei Publikationen beschäftigen sich aus aktivistischer Sicht mit den | |
> Protesten gegen G20 vor zwei Jahren – und kommen zu unterschiedlichen | |
> Ergebnissen | |
Bild: Schanzenviertel während des G20-Gipfels in Hamburg 2017 | |
Von Christopher Wimmer | |
Auch nach zwei Jahren ist der G20-Gipfel in Hamburg immer noch Thema. Der | |
größte Polizeieinsatz der deutschen Nachkriegsgeschichte mit insgesamt | |
31.000 Beamt*innen und das Aussetzen von Grundrechten prägten die | |
Hansestadt für nahezu eine Woche. Verfahren gegen Aktivist*innen laufen | |
immer noch. Die „Sonderkommission Schwarzer Block“ der Hamburger Polizei | |
fahndet weiterhin nach Verdächtigen und durchsucht Wohnungen. Doch auch in | |
der linken Szene wird weiter über Sinn und Unsinn der militanten Aktionen | |
rund um den Gipfel diskutiert. | |
„Im Gedächtnis der Stadt bleiben die Bilder brennender Barrikaden und ein | |
lädiertes Schanzenviertel als Ausdruck des Scheiterns des polizeilichen | |
Einsatzkonzepts“, so fasst es Andreas Blechschmidt in seinem Buch „Gewalt. | |
Macht. Widerstand“ zusammen, das der Autor, der seit 1989 im besetzten | |
autonomen Zentrum „Rote Flora“ in Hamburg aktiv ist, aktuell veröffentlicht | |
hat. | |
Zunächst zeichnet er dort die Militarisierung der Polizei im Vorfeld des | |
Gipfels nach. Nach dieser Kritik an der Polizei kommt Blechschmidt sehr | |
schnell zu einer Kritik der Linken. Dabei geht es ihm um jene Freitagnacht, | |
in der es im Schanzenviertel zu Aufständen, Plünderungen und | |
Barrikadenbauten kam. Blechschmidt kritisiert nun, dass den militanten | |
Aktionen die Vermittelbarkeit und Mehrheitsfähigkeit gefehlt hätte. | |
Militante Interventionen bräuchten immer „Adressat*innen der politischen | |
Botschaften im Sinne einer aufklärenden Praxis, die sich nicht isoliert, | |
sondern sich erklärt und Anknüpfungen zulässt“. | |
Ein Verdienst des Buchs ist die historische Einbettung der Hamburger | |
Krawalle. Hier bezieht sich Blechschmidt sowohl auf den Kontext in der | |
Hansestadt und verweist auf die Häuserkämpfe in der Hafenstraße der 1980er | |
Jahre sowie die Besetzung des Gängeviertels 2009 als auch auf | |
Auseinandersetzungen in der bundesdeutschen Geschichte wie die Schwabinger | |
Krawalle von 1962 oder die Demonstrationen in Brokdorf 1981. | |
Damit nimmt er den G20-Krawallen die häufig behauptete Einzigartigkeit. | |
Seine Kritik an der Linken, die sich zu viel auf den Aufstand eingebildet | |
habe, fasst er folgendermaßen zusammen: Eine revolutionäre Haltung finde | |
man derzeit nicht in brennenden Barrikaden, sondern in der „souveränen | |
Abschätzung der eigenen Ohnmacht“. | |
Einen deutlich positiveres Bild zeichnet das Buch „Das war der Gipfel“ des | |
GoGoGo-Kollektivs, einer Gruppe von etwa hundert Aktivist*innen, die die | |
Gipfel-Geschichte aus Sicht der Aktivist*innen selbst erzählen. Das Buch | |
ist eine Chronik des Protests. | |
Von der Hafenblockade des kommunistischen „… ums Ganze“-Bündnisses bis | |
zu den Demonstrationen der Schüler*innen und diversen Kunstaktionen | |
werden alle Aktionen dargestellt. Das Buch ist damit unstrittig die | |
umfassendste und vielstimmigste Darstellung der G20-Proteste in Hamburg. | |
Theo Bruns, der Verleger und Mitherausgeber des Buchs, fasst das Ziel des | |
Bandes so zusammen: „Unser Anspruch war, die eigene Geschichte zu | |
schreiben, sie nicht den Herrschenden zu überlassen.“ | |
Was mit GoGoGo-Kollektiv gegen Blechschmidt gezeigt werden kann, ist, dass | |
in aufständigen Situationen bereits neue Formen von Solidarität entstehen | |
können. Menschen, die in Cafés Verwundete versorgten, oder Anlaufpunkte, wo | |
Leute füreinander gekocht und aufeinander aufgepasst haben, zeigen dies. Es | |
geht dabei um Selbstermächtigung und solidarische Beziehungsweisen in | |
Ausnahmesituationen. | |
Andreas Blechschmidt: „Gewalt. Macht. Widerstand“. Unrast Verlag, Münster | |
2019, 160 S., 12,80 Euro | |
GoGoGo (Hg.): „Das war der Gipfel“. Assoziation A, Hamburg 2019, 276 S., 24 | |
Euro | |
6 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Christopher Wimmer | |
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