Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bürgermeisterwahl in Istanbul: „Hoffnungsträger sollten nicht e…
> Die Istanbuler CHP-Vorsitzende Canan Kaftancıoğlu ist die Architektin von
> Ekrem İmamoğlus Erfolg. Ein Gespräch über ihre Erwartungen von der
> Neuwahl.
Bild: „Wir sind dieses Mal noch zuversichtlicher und entschlossener“, sagt …
taz gazete: Frau Kaftancıoğlu, als CHP-Vorsitzende der Provinz Istanbul
waren Sie die Architektin des Wahlsiegs von Ekrem İmamoğlu. Wie fühlt es
sich an, ein zweites Mal Wahlkampf für eine Wahl zu machen, die Sie bereits
gewonnen haben?
Canan Kaftancıoğlu: Wir sind dieses Mal noch zuversichtlicher und
entschlossener. Denn diese Wahl ist nicht nur eine Bürgermeisterwahl,
sondern ein Kampf für Demokratie. Wenn sich die Gerechtigkeit am 23. Juni
durchsetzt, wird der antidemokratische Kurs der Regierung großen Schaden
davontragen. Das sehe ich in den Gesichtern der Menschen auf Istanbuls
Straßen und Plätzen. Deshalb bin ich zuversichtlich.
Erwarten Sie am Sonntag einen anderen Wahlabend als am 31. März?
Dieses Mal unterstützen auch unsere Abgeordneten, Bürgermeister und
Provinz-Vorsitzenden aus verschiedenen Regionen der Türkei unsere Kampagne
in Istanbul. Am 23. Juni wird Ekrem İmamoğlu wiedergewählt und wird sein
Amt wieder aufnehmen. Ich habe keine Zweifel, dass 16 Millionen Istanbuler,
deren Rechte kassiert wurden und die Leistungen nicht in Anspruch nehmen
konnten, weil ihre Steuern veruntreut wurden, die richtige Entscheidung
treffen werden.
Schon vor dem 31. März gab es Zweifel daran, dass die Wahlen fair ablaufen.
Ist die Fairness der Wahlen nach der annullierten Bürgermeisterwahl noch
stärker gefährdet?
Nach dem 31. März waren wir mit unvorstellbaren Behauptungen, Lügen und
Diffamierungen konfrontiert. Deshalb verstehe ich, dass unsere Bürger*innen
Bedenken haben, was die Fairness der Wahlen angeht. Doch alle
Istanbuler*innen sollen sicher sein, dass wir alle Maßnahmen ergriffen
haben, damit die Wählerstimmen so aus der Urne herauskommen, wie sie
hineingeworfen werden.
Nach der annullierten Wahl enstand der Eindruck, die AKP habe einen Plan,
sie werde die Wahl nicht einfach so wiederholen. Stimmen Sie dem zu?
Der einzige Grund für die Wiederholung der Bürgermeisterwahl ist, dass eine
Handvoll Menschen ihre profitablen Netzwerke, die sie in Istanbul aufgebaut
haben, nicht verlieren wollen. Die Ressourcen, die diese Stadt
erwirtschaftet, werden nicht an die Istanbuler verteilt. Deshalb werden am
23. Juni alle sehen, dass es keinen größeren Plan gibt als die Entscheidung
der Bürger*innen.
Wie haben Sie die CHP-Wähler*innen überzeugt, die nach der Entscheidung des
Hohen Wahlrats nach dem 31. März gesagt haben, dass nun Wahlen in der
Türkei keine Bedeutung mehr hätten?
Abgesehen davon, ob Wahlen noch eine Bedeutung haben oder nicht, stört es
die Menschen, dass es in den letzten fünf Jahren fast alle sechs bis sieben
Monate Wahlen gegeben hat. Die Bürger*innen sind der Wahlen überdrüssig.
Während die Bevölkerung existenzelle Sorgen hat, denken die an der
Regierung nur an Wahlen. Die Gesellschaft erwartet von den Politiker*innen,
dass sie sich nun schnellstmöglich zusammenraufen und die Probleme in
Angriff nehmen. Dass die Wahl unrechtmäßig annulliert wurde, hat bei vielen
Bürger*innen die Überzeugung gestärkt, dass wir Demokratie brauchen.
Was machen Sie, wenn Sie diese Wahl wieder mit einem kleinen Vorsprung
gewinnen und die Hohe Wahlkommission Ihren Wahlsieg mit einem ähnlichen
Entscheid wie nach dem 31. März nicht anerkennt?
Die Hohe Wahlkommission hat in diesen Tagen, in denen sie ihre Entscheidung
nicht einmal begründen konnte, bemerkt, welch hohen Preis sie für die
Annullierung der Wahl zahlt. Am Abend des 23. Juni wird die Bevölkerung
ihren Willen zur Demokratie deutlich zum Ausruck bringen. Diese
Diskussionen werden dann der Vergangenheit angehören.
Was denken Sie über die TV-Debatte vergangenen Sonntag zwischen Ekrem
İmamoğlu und Binali Yıldırım?
Es war wichtig, dass es nach Jahren wieder so eine TV-Debatte gegeben hat.
Man kann aber nicht sagen, dass das eine gute Sendung war. Ich hoffe, dass
es so ein Format auch in Zukunft wieder geben wird. Denn unsere Bevölkerung
braucht Normalisierung, Harmonie, Umarmungen.
Vor einem Jahr hofften alle auf Muharrem İnce, den damaligen
Präsidenschaftskandi da ten der CHP. Jetzt hoffen alle auf Ekrem İmamoğlu.
Aus feministischer Perspektive gefragt: Wann wird in der Türkei eine Frau
die Hoffnungsträgerin der Opposition werden?
Frauen und Jugendliche müssen mehr Führungspositionen in allen Bereichen
einnehmen. Aber Hoffnungsträger sollten niemals einzelne Personen sein. Es
geht um einen organisierten Kampf. Wenn sich bei diesem Kampf Frauen,
Jugendliche und Ältere zusammenschließen, kann Erfolg nicht verhindert
werden.
Sie sind die erste CHP-Vorsitzende der Provinz Istanbul. Ist es für eine
Frau schwierig, Politik in der CHP und in der Türkei zu machen?
Selbstverständlich ist es nicht leicht, aber es ist auch nicht unmöglich.
Von meinem ersten Tag im politischen Amt an habe ich Schwierigkeiten
gehabt. Und ich habe sie immer noch. Sie haben sich daran gestört, dass ich
als Frau das politische Feld betreten habe. Das ist eine Sphäre, die vom
männlichen, patriarchalen Blick geprägt ist. Die erste weibliche
CHP-Vorsitzende der Provinz Istanbul zu sein, die Vorsitzende dieser Partei
zu sein, während sie in Istanbul nach 25 Jahren ein neues Gemeinwesen
aufbaut, das macht mich sehr stolz.
Wussten Sie, dass Sie mit Ihrem Auftreten in LGBTI-Kreisen gut ankommen?
Wie sieht Ihre Politik gegenüber LGBTI aus? Denn es gibt auch LGBTI, die
denken, dass İmamoğlu sie in seinen integrativen Reden nicht mit anspricht.
Ich engagiere mich für jene, die benachteiligt werden. Weil das so ist,
interessieren sich Menschen für mich, die sich in dieser Gesellschaft
ausgegegrenzt fühlen. Das Interesse gilt aber nicht primär meiner Person,
sondern meiner Haltung. Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung
Gewalt erfahren haben, sind Bürger*innen dieses Landes. Natürlich kennen
wir ihre Probleme und wir haben sie nicht vergessen oder beiseite
geschoben.
Aus dem Türkischen von Volkan Ağar und Elisabeth Kimmerle
21 Jun 2019
## AUTOREN
Can Uğur
## TAGS
taz.gazete
Politik
Ekrem İmamoğlu
taz.gazete
## ARTIKEL ZUM THEMA
Opposition gewinnt Wahl in Istanbul: İmamoğlu macht's noch einmal
Schlappe für Präsident Erdoğan: Auch bei der zweiten Bürgermeisterwahl in
der türkischen Metropole setzt sich CHP-Kandidat İmamoğlu durch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.