Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- GottlosAnna Kücking : Wo bleibt die Gott-Maschine?
Als ich ein Kind war, war Gott ein Mann mit langem Bart. Auch wenn ich
manchmal dachte, dass daran etwas nicht stimmen kann. Ich wuchs in einer
Zeit auf, als Nintendo 64 auf den Markt kam und viele Kinder
Tobsuchtanfälle bekamen, wenn sie aufhören mussten, Super Mario Kart zu
spielen. Vielleicht hat das was mit dem Anstieg von Hyperaktivität zu tun.
Sagen ja manche.
Gott als Maschine, das kam mir damals nicht in den Sinn. Auf dem Kirchentag
spricht selbst Bundespräsident Steinmeier zwei Stunden über
Digitalisierung, Maschinen nehmen ja auch einen großen Stellenwert in
unserem Miteinander ein. Beim Kirchentag können wir lernen,
Bibelgeschichten in Minecraft zu bauen, wäre es dann nicht denkbar, dass
wir uns bald auch Gott selbst bauen können? Und wie sähe die Gott-Maschine
aus?
Als ich das ein kleines Mädchen auf dem Kirchentag frage, überlegt sie
kurz, und sagt ernst und nachdrücklich: „Wie Iron Man!“ Eine andere Gruppe
findet, die Gott-Maschine müsse sehr, sehr große Ohren (dass er dich besser
hören kann) und sehr, sehr große Augen (dass er dich besser sehen kann)
haben. Und so was wie einen Warp-Antrieb, um sich sehr schnell zu bewegen.
Klar, die Gott-Maschine hat viele Termine.
Viele würden sie als Kunstobjekt auch irgendwo auslegen wollen, in einem
Kulturhaus etwa oder in den Gemeinden. Aber in welcher, und wer soll dafür
zahlen? Das gäbe bestimmt wieder nur Streit. Da doch lieber die
Gott-Maschine als körperlose, künstliche Intelligenz. Eine Art cleverer
Mikroplastik. Und was könnte sie noch? Das kleine Mädchen macht ein langes
„Hmmm“ und sagt: „Leben retten“. Weitere Fähigkeiten, finden alle:
Empathie. Leidvermeidung. Wie ginge die Gott-Maschine da vor? Weil sie
mitfühlt, würde sie sich bald daranmachen, Leidenden zu helfen. Sie würde
sich die Welt angucken und sehen, dass es sehr vielen Menschen nicht gut
geht.
So kommt sie vielleicht auf die Idee, dass es das Gerechteste wäre, uns
alle zu erlösen, also auszulöschen. Das meint sie ganz wohlwollend, logisch
betrachtet ist es die effektivste Möglichkeit, das Leid zu schmälern. Womit
ich den Traum des kleinen Mädchens zerstört hätte. So ein Mist.
Da ist es doch besser, findet eine Besucherin, wenn es so etwas wie ein
Einwahlsystem in die Gott-Maschine gäbe, damit sie uns moralische Weisung
geben kann. Da kann man dann seinen Gut-Mensch-Status abrufen, da ploppen
hologrammartige Pop-ups mit Sinnsprüchen auf und erinnern, die Tante zum
Geburtstag anzurufen. Das klingt nach einem sehr naheliegenden Szenario.
Ich schlage deswegen vor, dass wir die Gott-Maschine begraben. Irgendwie
sind die Roboter, die wir ranziehen, ja sowieso kleine Gott-Maschinen.
Weil: wenn wir sein Abbild sind und die Maschinen unseres, dann steckt da
auch ein bisschen Gott drin. Bleibt letztlich zu hoffen, dass die kein
gerechter Gott werden.
22 Jun 2019
## AUTOREN
Anna Kücking
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.