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# taz.de -- Täglich 40 Fälle von Missbrauch
Die Klinik wusste davon, auch die Staatsanwaltschaft ermittelte bereits
seit Längerem: Vier Jahre lang soll ein Mediziner über 30 Kinder in einer
saarländischen Klinik missbraucht haben, erst 2014 konnte man ihn endlich
stoppen. Und die Eltern? Die erfuhren erst vor wenigen Monaten von den
sexuellen Übergriffen auf ihre Kinder.
Der Assistenzarzt soll zwischen 2010 und 2014 im Universitätsklinikum
Homburg vor allem an Jungen nicht notwendige Untersuchungen im Intimbereich
vorgenommen haben. Nicht notwendig auch deshalb, weil der mutmaßliche Täter
eigentlich in der Kinderpsychatrie arbeitete. Als die Klinikleitung von den
Vorgängen erfuhr, erstatte sie Strafanzeige und feuerte ihn. 2016 stellte
die Staatsanwaltschaft nach dem Tod des Mann ihre Untersuchungen ein. Die
Klinik begründete ihr Schweigen schließlich damit, dass man die Betroffenen
nicht traumatisieren wollte. Sie hätten den Missbrauch womöglich nicht
bemerkt.
Der Missbrauch durch Autoritätspersonen wie in Homburg kommt immer wieder
vor, meist stammen die Täter allerdings aus dem Familien- und
Bekanntenkreis. Zwischen 80 und 90 Prozent sind dabei laut dem Amt des
Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen
Kindesmissbrauchs (UBSKM) Männer aus allen Altersgruppen und Schichten.
Die Zahl ihrer Opfer ist im vergangenen Jahr gestiegen. Laut
Bundeskriminalamt geht es um 14.606 Fälle sexuellen Missbrauchs an
Minderjährigen, knapp sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Das sind
durchschnittlich 40 Kinder pro Tag. „Das ist nur das polizeiliche
Hellfeld“, warnte Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes Anfang
Juni bei einer Pressekonferenz in Berlin. Insgesamt gehe er von einer sehr
hohen Dunkelziffer aus. Das USBKM schätzt, dass bis zu zwei Schüler pro
Klasse Opfer von sexueller Gewalt sein könnten. Vor allem an Mädchen
vergehen sich dabei die Täter, sie sind in drei von vier angezeigten Fällen
die Opfer. Eine besondere Risikogruppe sind dabei laut dem UBSKM Frauen mit
Behinderungen. Sie seien in ihrer Kindheit zwischen zwei- und dreimal
häufiger Opfer sexuellen Missbrauchs als der weibliche
Bevölkerungsdurchschnitt.
Auch mit Blick auf die Klinik in Homburg appelliert Johannes-Wilhelm Rörig,
Leiter des UBSKM, beim Kinderschutz vor allem an die Länder. Der könne nur
verbessert werden, „wenn alle Einrichtungen, Behörden und Ressorts Hand in
Hand miteinander arbeiten“. Er fordert Landesmissbrauchsbeauftragte, die
ressortübergreifend die Prozesse unterstützen sollen. (sfj)
28 Jun 2019
## AUTOREN
Julian Schmidt-Farrent
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