# taz.de -- Skaten ist Frauensache | |
> Anfängerinnen sind auf Halfpipes nicht gern gesehen, berichten | |
> Skateboarderinnen aus Hamburg. Sie haben sich daher zusammengeschlossen | |
> und trainieren jetzt ohne Männer | |
Bild: Will nur mit dem Board aufs Bild: Nasty in der Halle des I-Punkt Skatelan… | |
Von Julika Kott | |
Eine Bahn rattert über die Brücke am Berliner Tor in Hamburg. Ein paar | |
junge Skater fahren in einer kleinen Halfpipe, an der überall Sticker | |
kleben. Sie alle haben eines gemeinsam, es sind ausschließlich Jungs. Das | |
ist typisch für den Skateboard-Sport. Was neben ihnen, in der flachen Halle | |
an der Spaldingstraße passiert, ist deshalb etwas Besonderes: Dort fahren | |
nur Frauen. | |
Wie immer am ersten Montag des Monats findet im I-Punkt Skateland die | |
„Girls* Skate Hamburg“-Session statt. In der hell beleuchteten Halle skaten | |
und jumpen etwa 15 Girls* jeden Alters und auf jedem Niveau. Es ist heute | |
nicht so voll, denn bei dem guten Wetter fahren viele Skaterinnen lieber im | |
Freien. | |
Räder quietschen auf dem Beton, ein Skateboard schlägt auf der Halfpipe auf | |
und rollt weg.My lässt sich davon nicht irritieren. Sie trägt ihr Board | |
unterm Arm, hat Vans-Turnschuhe an den Füßen und trägt ein weites, grünes | |
T-Shirt. Sie ist zum ersten Mal hier, weil sie auf der Suche nach einem | |
„geschützten Raum“ zum Skaten war. Eine Freundin habe ihr begeistert von | |
diesen Sessions erzählt. | |
Den Girls* Day gibt es schon seit den 90ern, die Gruppe „Girls* Skate | |
Hamburg“ seit 2015. Mit der Zeit wurde sie immer größer, heute gehören üb… | |
70 Frauen und Mädchen dazu. Darunter auch Eva und Rike. Eva ist 30, | |
Grafikerin und seit der Gründung der Gruppe dabei. „Wir verteidigen einen | |
feministischen Ansatz und möchten das Empowerment von Frauen und Queers | |
fördern“, sagt sie. Das Ziel der offenen Gruppe sei es, dass Frauen sich | |
aufs Skateboard trauten. | |
Warum sie selbst angefangen hat zu skaten? „Ist halt cool“, antwortet sie | |
lachend. Und wenig kompetitiv: „Skateboarding ist ein gemeinsamer Sport, | |
den man alleine ausübt“, fasst sie zusammen. | |
Rike ist heute 33. Erst vor vier Jahren fing sie an zu skaten, davor traute | |
sie sich nicht. Nun stellt sich die Sozialarbeiterin bei jeder Gelegenheit | |
aufs Board und organisiert auch Projekte für Jugendliche. Es sei ein | |
überwältigendes Gefühl gewesen, es einfach mal auszuprobieren und in der | |
Gruppe fühle sie sich wohl. „Alleine macht es keinen Spaß.“ | |
Die Girls* sind untereinander solidarisch und unterstützen sich: Als My auf | |
der Halfpipe stürzt, liegen bleibt und sich den linken Ellenbogen hält, | |
kommt sofort eine andere Skaterin und hilft. Außerdem bringen sie sich | |
gegenseitig neue Tricks und Techniken bei. „Es ist voll wichtig, mit | |
anderen gemeinsam zu skaten“, sagt Eva. | |
An anderen Tagen, im Regulärbetrieb, sei die Stimmung in der Halle anders. | |
Da bekämen nur die schnellsten und stärksten Männer einen Platz auf der | |
Rampe, berichten die Frauen. In der Bowl, einer Rampe in der Halle, die | |
aussieht wie ein leeres Schwimmbecken, skatet gerade eine junge Frau, die | |
sich davon nicht beeindrucken lässt. Rike und Eva zeigen auf sie: „Das ist | |
Nasty, die ist richtig gut.“ | |
Wenig später setzt sich Nasty zu den anderen und erzählt, wie sie zum | |
Skaten kam. Auch sie hat sich am Anfang nicht getraut. „Das kann ich nicht | |
machen, ich bin ein Mädchen“, habe sie gedacht und sei lieber am Rand | |
sitzen geblieben, wenn ihr Ex-Freund Skateboard gefahren sei. Dann | |
entdeckte sie Hallen für sich, weil sie dort anonym üben konnte. Seitdem | |
ist sie sehr aktiv in der Szene und fährt nicht nur mit den Girls*, sondern | |
mittlerweile auch im Skatepark der Roten Flora im Hamburger | |
Schanzenviertel. | |
Auch der sei sehr männerdominiert, aber sie sei dort gut von den Skatern | |
integriert worden. Trotzdem hält auch Nasty das für eine Ausnahme. Alle | |
drei Skaterinnen beschreiben, dass viele männliche Skater insbesondere | |
Anfänger*innen den Zugang erschwerten und keine Rücksicht darauf nehmen | |
wollten, wenn Frauen noch unsicher seien: An manchen Orten sei es | |
„unmöglich zu skaten als Anfänger-Mädchen“, sagt Nasty am Rande der Anla… | |
Sie will sich davon nicht einschüchtern lassen. Ihr Motto: „Fickt euch | |
einfach, ich fahr jetzt.“ Nasty kippt ihr Board, rollt in die Bowl, die am | |
Rand mit türkisen Mosaikfliesen dekoriert ist, und dreht mit voller | |
Geschwindigkeit ihre Runden. | |
In der Halle sind nicht nur Skateboarderinnen* willkommen, es hat sich auch | |
eine Rollerskaterinnen*-Community etabliert. Was Anke und Nadja gerade in | |
der Bowl machen, hat aber nichts mit kindlichem Rollschuhfahren zu tun, | |
auch wenn Nadjas Rollerskates beim Fahren lila blinken. Mit hoher | |
Geschwindigkeit donnern sie die Rampe rauf, bleiben kurz auf der Kante | |
stehen, als wären sie schwerelos und lassen sich dann zurückfallen. Dieser | |
Fahrstil heißt „Aggressives Rollerskating“. | |
Wenn Anke und Nadja skaten sieht das viel einfacher aus, als es ist: Sie | |
gleiten durch den Raum und es wirkt fast wie ein Tanz. Gerade bei Anke, die | |
ein dunkles Kleid trägt | |
„Mir wurde einmal von einem Typen gesagt, Rampen-Rollschuh sei für | |
Mädchen“, erinnert sich Nadja. Für sie sind solche Vorurteile völliger | |
Schwachsinn. Stolz zeigen sie und Anke ihre blauen Flecke und Kratzer wie | |
Kampfwunden vor. | |
Die Berlinerin Yvonne Labedzki kämpft dafür, dass Frauen beim | |
professionellen Skaten die gleichen Bedingungen bekommen wie Männer. Sie | |
fordert, dass Frauen an Wettbewerben teilnehmen dürfen, gleich hohe | |
Preisgelder bekommen und sie appelliert an Sponsoren, Frauen zu | |
unterstützen. | |
Labedzki hat bereits 2006 die Plattform „Suck My Trucks“ gegründet und | |
unterstützt so auch selbst Skateboarderinnen. Inzwischen ist sie | |
Bundestrainerin der Frauen im Nationalteam. Erstmals wird Skateboarding bei | |
den Olympischen Spielen 2020 in Tokio vertreten sein. Zur deutschen | |
Mannschaft gehören sieben Frauen und acht Männer. Weibliche Profis sind | |
allerdings nicht darunter, denn Frauen, die vom Skaten leben können, gibt | |
es in Deutschland nicht. | |
Frauen sind in der Skate-Kultur weiterhin weniger sichtbar als Männer. Wenn | |
sie Aufmerksamkeit bekommen, dann häufig, weil sich mit ihnen werben lässt. | |
Auch die Girls* in Hamburg wurden schon angefragt, um bei Skate-Videos | |
mitzumachen. „Aber halt erst seit Kurzem. Die machen auch momentan nur so | |
viel, weil weibliche Skateboarderinnen durch Olympia relevanter geworden | |
sind“, kritisiert Skateboarderin Eva. Auch für Labedzki hat die neue | |
mediale Präsenz der Sportlerinnen deshalb einen negativen Beigeschmack. | |
22 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Julika Kott | |
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