# taz.de -- das portrait: Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel setzt sich für Russland e… | |
Zu abgehoben, zu liberal, zu sehr Berliner Blase. Sigmar Gabriel hat | |
zuletzt keine Gelegenheit ausgelassen, um der SPD ihren vermeintlichen | |
Elitarismus aufs Brot zu schmieren. Statt die traditionelle Wählerklientel | |
vor den Verwerfungen einer globalisierten Welt zu schützen, so der einstige | |
SPD-Chef, gönnten die Sozialdemokraten dem einfachen Arbeiter nicht mal | |
mehr sein Schnitzel und seine Heimatliebe. | |
Da ist es folgerichtig, dass sich Gabriel immer seltener zusammen mit | |
seinen elitären Fraktionskollegen im Bundestag blicken lässt und sich auf | |
seine bodenständigen Aufgaben konzentriert. Sei es die Gastdozentur in | |
Harvard oder der Nebenjob beim weltweit agierenden Wirtschaftsprüfer | |
Deloitte. | |
Am Mittwoch kommt noch ein Job dazu: Aller Voraussicht nach wird Gabriel | |
zum neuen Vorsitzenden der Atlantik-Brücke gewählt. Der Verein streitet für | |
„offene Gesellschaften und freien Handel“ und zählt rund 500 | |
„Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Medien von | |
beiden Seiten des Atlantiks“ zu seinen Mitgliedern, darunter den ehemaligen | |
Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen und Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann. | |
Sigmar Gabriel ist eben nicht der Einzige, dem nach einer langen Karriere | |
als Lautsprecher das Leisetreten schwerfällt. | |
Geboren 1959 war der Niedersachse einst Popkultur-Beauftragter der SPD, | |
später Vizekanzler, Wirtschafts- und Außenminister. Von 2009 bis 2017 | |
führte er die Partei als Bundesvorsitzender. Als Hinterbänkler im Bundestag | |
anderen das Feld überlassen und Politik vor allem den beiden Töchtern im | |
heimischen Goslar erklären? Schwierig für einen, dem einst Firmenbosse und | |
die Weltdiplomatie zuhörten. | |
Und während Gabriel seiner Partei vorwirft, zu sehr dem Berliner Politik- | |
und Medienbetrieb verhaftet zu sein, beherrscht er selbst dessen | |
Spielregeln perfekt. Mit einem Gespür für kontroverse Debatten und nicht | |
zuletzt dank seines Autorenverhältnisses unter anderem mit dem Handelsblatt | |
bringt sich Sigmar Gabriel in regelmäßigen Abständen ins Gespräch – zu so | |
ziemlich jedem Thema, das nach Elder Statesman riecht. Er sah einen aus | |
weltwirtschaftlicher Sicht „perfekten Sturm“ über Europa aufziehen, warb | |
für eine Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft und den Dialog mit | |
Russland. | |
Für Nebenjobs im weiten Feld der Politikberatung mag sich Gabriel auf diese | |
Weise empfehlen. Aber was bedeutet das alles für seine Zukunft in der SPD? | |
Zwar sind viele Genossen genervt von ihrem Ex-Vorsitzenden, der in acht | |
Jahren den Abwärtstrend nicht stoppen konnte, aber noch immer glaubt, es | |
besser zu wissen als alle anderen. Auch hat der 59-Jährige selbst | |
angekündigt, kein weiteres Mal für den Bundestag kandidieren zu wollen. | |
Aber er will weiter „an Bord“ bleiben und Politik für die SPD machen. | |
Und wer weiß? Dass so manch längst Abgeschriebener den Sprung in die große | |
Politik noch mal wagt, zeigt sich bei Friedrich Merz: Ihn löst Gabriel | |
heute wohl als Vorsitzenden der Atlantik-Brücke ab. Alicia Lindhoff | |
26 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Alicia Lindhoff | |
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