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# taz.de -- berliner szenen: Geglitsche und Gerutsche
Es ist ja immer wieder interessant, sich über die unausgesprochenen
Übereinkünfte des menschlichen Miteinanders Gedanken zu machen. So im
sozialen Kontext. Wie man sich wo gibt. Doch am Ende sind wir komischen
Menschen doch alle gleich, wir wollen Liebe und uns gut fühlen, wollen raus
aus der Jämmerlichkeit der eigenen Existenz, und was hilft da besser, als
eine kleine Entgrenzung.
Neulich, zum Beispiel, im Westgermany trafen sich eine große Gruppe
jüngerer Männer und eine kleinere Gruppe jüngerer und älterer Frauen in
diesem weiß gekachelten Raum unter Neonröhren. Beim ersten Ton des Konzerts
(ein wunderbar satter Rülsper ins Mikro) begannen die sich im vorderen
Zuschauerbereich Befindenden sogleich, auf- und ab- und
gegeneinanderzuspringen. Die auf diese Weise entstehenden Rinnsale von
Schweiß vermischten sich mit den stetigen Rosé-Sekt-Duschen zu einem
Geglitsche und Gerutsche – kollektive Ekstase und Gepoge. Eine Geburt! – so
dachten mehrere der Anwesenden, wobei nicht geklärt wurde, ob die
Geburtsmetapher auf das eigene Erleben der Entgrenzung bei selbiger oder
die kollektive Glitschigkeit des Gesamtvorgangs à la „Wir werden gerade
allesamt geboren aus Schweiß und Rosé-Sekt und Rülpsern und Punk“
anzuwenden sei.
Ähnlich war es dann anderntags beim Yoga in so einem teuren Studio in
Mitte, voller insektenhafter Schönheiten in feinster Yoga-Seide, sodass
sich die müde Normalsterbliche fühlen muss wie der liegengebliebene
Vanillepudding im Rohkostgeschäft, doch dann wurde es ebenfalls heiß und
Schweiß und plötzlich wildes Geatme und Gestöhne, alles herauslassen und
uffff, achhhh, haaaa. Und dann war es doch wieder Punk und Entgrenzung und
überhaupt, wir wollen wirklich alle irgendwie dasselbe. Nein? Jemand nicht?
Kirsten Reinhardt
22 Jun 2019
## AUTOREN
Kirsten Reinhardt
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