# taz.de -- wie machen sie das?: Die Spürnase | |
Raoul Classen, 51, arbeitet seit gut zwanzig Jahren als Privatermittler | |
in Hamburg. Er ist Präsident des Bundesverbands Deutscher Detektive. | |
taz am wochenende: Herr Classen, Sie müssen an Informationen herankommen | |
und dabei unauffällig bleiben. Wie machen Sie das? | |
Raoul Classen: Jeder Mensch fällt auf. Es kommt darauf an, dass niemand | |
Verdacht schöpft. Dafür arbeiten wir mit Legenden. Die Geschichte, die man | |
verkörpert, muss plausibel sein. Man passt sich so gut wie möglich dem | |
Umfeld an. | |
Wie ein Chamäleon? | |
Ja. Das fängt schon mit der Kleidung und dem Auto an. Wenn ich irgendwo auf | |
dem Land operiere, kann ich natürlich nicht so in Erscheinung treten wie im | |
vornehmen Blankenese. | |
Mit welchen Legenden arbeiten Sie? | |
Ich glaube, ich habe für jede Lage zehn oder zwanzig mögliche Szenarien. | |
Wenn man sich in bekannten Hotels als Schriftsteller ausgibt, kann man da | |
sehr lange sehr entspannt arbeiten. Was ich auch gerne mache, ist | |
Locationscout: Ich sage, ich arbeite für einen Fernsehsender und möchte | |
prüfen, ob die Umgebung für die Aufnahmen geeignet ist. | |
Wer beauftragt Sie? Betrogene Ehemänner? | |
Das war früher so. Man musste einen Ehebruch nachweisen, wenn man sich | |
scheiden lassen wollte. 1977 ist das Scheidungsrecht in Deutschland | |
novelliert worden. Heute brauchen Sie keinen Nachweis mehr. | |
Worum geht ’s dann? | |
In meinem Unternehmen kommen ungefähr 80 Prozent der Aufträge aus der | |
Wirtschaft. Das sind manchmal große, DAX-notierte Unternehmen – oder eine | |
kleine Bäckerei. | |
Was könnte das sein? | |
Ein klassisches Beispiel: Missbrauch von Krankschreibungen. | |
Grundvoraussetzung ist aber immer ein berechtigtes Interesse oder ein | |
konkreter Verdacht – wir dürfen nicht willkürlich irgendwem | |
hinterherschnüffeln. | |
Warum gehen die Unternehmen nicht zur Polizei? | |
Wenn wir ermitteln, besteht kein Strafverfolgungszwang. Wenn ein | |
Mitarbeiter klaut, will die Firma oft auch nicht, dass das publik wird. Das | |
wird im stillen Kämmerlein geregelt. | |
Ist das manchmal gefährlich? | |
Nein. Wir arbeiten ja verdeckt – alles sehen, ohne selbst gesehen zu | |
werden. Vielleicht hat mal ein Hund angeschlagen, weil ich in einer | |
Mülltonne nachgeschaut hab. Aber einmal stand die Polizei vor meiner Tür. | |
Warum? | |
Ich habe für eine Observation den Kundenparkplatz einer Bank als Basis | |
genutzt. Dummerweise ist eine Woche später ausgerechnet diese Bank | |
überfallen worden. Die Polizei wollte wissen, was ich da gemacht habe. Ich | |
konnte das zum Glück erklären. Banken meide ich seither mit großem Abstand. | |
Interview: Christina Spitzmüller | |
15 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Christina Spitzmüller | |
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