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# taz.de -- Kampf den Barrieren
> Beratungsstellen für Geflüchtete versuchen, Verständigungsprobleme zu
> überwinden. Wir haben drei von ihnen in Hamburg besucht
Bild: Pieter Bruegel der Ältere: Großer Turmbau zu Babel. Der Überlieferung …
Von Julika Kott und Till Wimmer
Im Café Exil ist man in Feierlaune und voller Energie: Die neuen
Räumlichkeiten in Wandsbek liegen direkt gegenüber der Hamburger
Ausländerbehörde. „Wir können unsere Gäste wieder schneller und spontaner
zur Behörde begleiten“, sagt Melanie Cagic bei ihrer Eröffnungsrede vor gut
30 Leuten, die sich vor dem Büfett drängen. „Hoffentlich besuchen uns auch
die Behördenmitarbeiter mal, bisher laufen sie nur vorbei.“
## „Wie umschreibe ich Samenerguss?“
Das Café Exil ist eine unabhängige, antirassistische Beratungsstelle für
Migranten und Geflüchtete. Es gibt eine Liste von Leuten, die sich bereit
erklärt haben, als Übersetzer*innen einzuspringen und die Gäste des Cafés
bei Behördengängen oder Klinikbesuchen zu begleiten. Felicia Schmidt, 44,
steht auf dieser Liste. Sie kommt aus Ghana und ist Projektmanagerin, seit
zehn Jahren lebt sie in Deutschland.
Felicia und ihr Mann Fritz unterstützen das Café Exil schon lange. Ungefähr
zweimal im Monat wird sie gefragt, ob sie bei der Übersetzung von Ashanti,
einer in Ghana von etwa 2,18 Millionen Menschen gesprochene Sprache, ins
Deutsche helfen kann. „Am liebsten nehme ich mir schon vorher zwanzig
Minuten Zeit, um zu klären, worum es überhaupt geht“, erzählt sie, „das
unterscheidet uns freiwillige von den angestellten Dolmetschern der
Behörden.“
Übersetzungsschwierigkeiten gebe es viele, manche entbehrten nicht einer
gewissen Komik: „Wie soll ich einem gestandenen Mann zum Beispiel
‚Samenerguss‘ umschreiben und dabei Ernst bleiben?“ Zu Problemen führten
häufig Fachbegriffe. „Einer Frau mit Kinderwunsch das Wort Hysterektomie,
also Gebärmutterentfernung, zu erklären, ist nicht nur sprachlich eine
Herausforderung.“
Besonders bei Klinikbesuchen ist Felicia oft unsicher und fürchtet,
Missverständnisse könnten zu Behandlungsproblemen führen. „Das Wort
Allergie, für das es im Ashanti keine direkte Übersetzung gibt, muss ich
meinem Gast schon mal zehn Minuten lang erklären, ohne dann zu wissen, ob
er wirklich alles erfasst hat.“
Behördenmitarbeiter*innen seien manchmal misstrauisch und glaubten, Felicia
arbeite grundsätzlich gegen sie. Das könne sich auch im Verhalten und in
den Entscheidungen gegenüber ihren Klienten widerspiegeln. „Am Ende bin ich
Schuld für eine Ungleichbehandlung, obwohl ich eigentlich helfen möchte“,
befürchtet sie, „die Mitarbeiter sind oft sehr skeptisch.“
Bei Behördengängen war Mohammed Dorgham, 33, noch nicht dabei. Der
Informatikstudent kommt aus Ägypten und hilft arabischsprachigen Gästen,
Lebensläufe zu verfassen. Der festgelegte Aufbau von Bewerbungsformularen
hilft ihm enorm. „Man arbeitet die Punkte einfach ab, deshalb ist es auch
einfacher, eine Programmiersprache als eine menschliche Sprache zu lernen“,
findet er, „alles ist klar strukturiert und es gibt keine Ausnahmen.“
## Fußball ist die Sprache, die alle verstehen
Der Kalender der Beratungsstelle Eva-Migra in Langenhorn sieht aus wie ein
stinknormaler Kalender, ist es aber nicht. Es ist ein „interreligiöser
Kalender“, auf dem die Feiertage der in Deutschland vertretenen Religionen
aufgeführt sind – nicht nur die christlichen. Genau diesen interreligiösen
und interkulturellen Ansatz vertritt die evangelische Einrichtung für
Migrationsjugendarbeit , deswegen hängt der Kalender ja auch im
Konferenzraum.
Das Büro von Eva-Migra sitzt in der Stadtteilschule Fritz Schumacher und
kooperiert mit den dortigen „internationalen Vorbereitungsklassen“. Die
Kinder und Jugendlichen dort sprechen Farsi, Dari, Französisch, Spanisch,
Englisch, Serbokroatisch, Russisch, Polnisch, Arabisch und weitere
Sprachen. Während der Pause treffen all diese Kulturen auf dem Schulhof
aufeinander.
Die Mehrheit der Berater*innen sind selbst mehrsprachig aufgewachsen und
können darum die Erfahrungen vieler Ratsuchenden nachvollziehen. Ab und zu
gerät aber jede*r an die eigenen kulturellen Grenzen: Dennis Ranck ist
sozialpädagogischer Mitarbeiter; seine Mutter ist Kubanerin, aufgewachsen
ist er in Hamburg. Er erzählt, wie er sich manchmal unsicher ist. „Letztens
kam eine kopftuchtragende Frau zu mir in die Beratung und ich fragte mich,
ob sie nicht lieber mit einer Frau sprechen möchte.“
Am meisten haben Geflüchtete Probleme mit der deutschen Bürokratie, darüber
herrscht bei Eva-Migra Konsens. „Für uns ist das normal, Kontoauszüge
aufzubewahren“ sagt Berater Saeed Dastmalchian. Allerdings kennen viele aus
ihrem Herkunftsland weder das Konzept der Krankenversicherung noch des
Girokontos. Sie werfen dann für die deutschen Behörden wichtige Dokumente
weg.
Laut Christian Eggers, auch er Berater, ist diese „deutsche Gründlichkeit“
vielen Zugewanderten fremd. Und sehr schwer zu durchblicken. Dafür haben
einige deutsche Behörden allerdings kein Verständnis.
Die Interkulturalität ist in erster Linie eine Leistung der Jugendlichen,
die zu ihnen kommen, sagt Hamann. Manchmal funktioniert es allerdings am
ehesten im Nicht-Verbalem: Treffen sich Jugendlichen auf dem Fußballplatz
und kicken gemeinsam, spielen kulturelle Unterschiede keine Rolle mehr.
Fußball ist eine internationale Sprache, die alle verstehen.
## „Die Sprache ist nicht das Problem“
Die „Refugee Law Clinic“ residiert auf dem Hamburger Uni-Gelände, gegenüb…
der Mensa und ganz in der Nähe des Asta. Betrieben wird sie von
Jura-Studierenden, die Asylsuchende bei der Stellung der Asylanträge
unterstützen und sie auf die alles entscheidende Anhörung beim Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge (Bamf) vorbereiten.
Eva, 21, und Arno, 29, sind zwei der Helfer, die hier einmal in der Woche
eine Sprechstunde anbieten. Entscheidend sei es, dass Gespräch mit der
richtigen Haltung anzugehen, sagt Arno. „Wenn wir deutlich machen, dass es
unsere Aufgabe ist, parteilich zu beraten, ist die Situation gleich
entspannter und das Gespräch verläuft gut.“
Dolmetscher fänden sich immer, denn unter den Asylsuchenden herrsche große
Hilfsbereitschaft. Oft übersetzen Freunde, Bekannte oder andere Bewohner
der Geflüchteten-Unterkunft in Rahlstedt das Gespräch. Manchmal kommt es
vor, dass mehrere Dolmetscher in Reihe übersetzen müssen, vom Kurdischen
ins Arabische, vom Arabischen ins Englische oder Deutsche.
In den drei bis acht Stunden, die für die Anhörung beim Bamf vorgesehen
sind, erzählen die Antragssteller*innen einfach drauf los, ohne zu Wissen,
worauf es ankommt. Das führt zu Missverständnissen auf beiden Seiten –
zulasten der Antragssteller*in, denn eine zweite Chance gibt es oft nicht.
Die Anhörung ist „der wichtigste Termin innerhalb des Asylverfahrens“,
schreibt das Bamf auf seiner Internetseite, „deswegen bieten in der
Vorbereitung auf das Gespräch Hilfsorganisationen, Wohlfahrtsverbände oder
städtische Einrichtungen Beratung an“. Der Refugee Law Clinic wird der
Zugang zum Gelände der Unterkunft in Rahlstedt jedoch regelmäßig verwehrt.
„Die Behörde hat die europarechtliche Verpflichtung, während des
Asylverfahrens eine unabhängige Rechtsberatung zu gewährleisten. Faktisch
durfte ich aber das Gelände nicht betreten und die Menschen mit Flyern über
unsere Rechtsberatung informieren.“, erzählt Arno. „Das ist zutiefst
frustrierend und behindert unsere Arbeit enorm.“
Das Bamf habe oft nicht die passenden Dolmetscher parat. Weibliche
Übersetzer*innen fehlen, um zum Beispiel traumatisierten Frauen einen
geschützten Gesprächsrahmen zu bieten. Auch werde übersehen, dass manche
Übersetzer*innen mit eigenen politischen Absichten die Aussagen verfälschen
könnten. Eine Rückübersetzung des Gesprächs können Asylsuchenden zwar
anzufordern, doch wüssten viele nicht, welche Rechte sie haben.
„Es fehlt oft der Mut, den Entscheider*innen mitzuteilen, dass die
Übersetzung mangelhaft ist“, erklärt Eva, „ohne vorherige und unabhängige
Rechtsberatung glauben sie, jede Nachfrage oder Beschwerde könne ihnen zur
Last gelegt werden.“
8 Jun 2019
## AUTOREN
Julika Kott
Till Wimmer
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