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| > Musikalisch mitten auf der Straße mit der Schweinerockgitarre: Fleetwood | |
| > Mac bei ihrer Abschiedstour in der Waldbühne | |
| Bild: Am Donnerstag bei Regen in der Waldbühne: Stevie Nicks von Fleetwood Mac | |
| Von René Hamann | |
| Chrissie Hynde ist immer noch gut bei Stimme. Sie sieht klein aus da vorne | |
| auf der Bühne, und ist wahrscheinlich schon überrascht, hier vor einer Wand | |
| aus Leuten in bunten Regenjacken und unter transparenten Plastikumhängen | |
| (wie sähe so ein Regenkonzert nach dem Plastikverbot aus?) am Frühabend | |
| eines durch und durch verpissten Sommertags die Vorband für Fleetwood Mac | |
| machen zu müssen. Immerhin geben sie und ihre Band, die Pretenders, ihr | |
| Bestes: Solider Autoradiorock, perfekt gespielt, für immer zeitlos. Sie | |
| gaben einige gelungene Coverversionen und ihre Hits, und natürlich gaben | |
| sie „Don’t Get Me Wrong“. Die Frage aber war, würden sie „Walking on | |
| Sunshine“ geben? | |
| Natürlich nicht. Denn erstens ist das Stück gar nicht von den Pretenders, | |
| sondern von Katrina & the Waves, und zweitens wäre das eine Spur zu zynisch | |
| für den soliden Ausgeblichene-Jeans-Standard, den Hynde und Band vorne | |
| gaben. Aber ja, worauf ich hinaus will, ist: Der Sonnenschein war an diesem | |
| Donnerstag flüssiger Natur in der wohl ausverkauften Waldbühne. Mal | |
| schüttete es, mal regnete es auf mittlerem Level, mal tröpfelte es. In der | |
| Pause vor der Hauptband, Fleetwood Mac, war es tatsächlich mal eine gute | |
| Stunde lang fast trocken. | |
| Fleetwood Mac, mittlerweile eher aus den USA als aus Großbritannien, sind | |
| auf großer Abschiedstournee; Berlin bildete den Auftakt für Europa. | |
| Tatsächlich gibt es die Band schon seit 1967, als Schlagzeuger Mick | |
| Fleetwood und Peter Green sie gründeten. In dieser ersten Phase spielten | |
| sie Bluesrock mit psychedelischen Einsprengseln. Die Platte dieser Ära war | |
| „Then Play on“, meine Eltern hatten sie im Schrank. „Black Magic Woman“, | |
| eines der fiesesten Rockstücke aller Zeiten, bekannt in der Version von | |
| Santana, diesem aufgeblasenen Gniedelmonster an der Gitarre, stammt | |
| ursprünglich ebenfalls von ihnen, und höre da, Fleetwood Mac spielten das | |
| Stück. Gesungen wurde es von Christine McVie, was sich natürlich etwas | |
| seltsam ausnahm: Eine ältere weiße Frau, die „I’m a black magic woman“ | |
| sang. Aus derselben Phase stammt das wesentlich bessere „Oh Well“, auch aus | |
| der Feder von Peter Green, Anlass für Mike Campbell, erst seit Kurzem bei | |
| der Band, seine Schweinerockgitarre das erste Mal so richtig anzuwerfen. | |
| Ein Fleetwood-Mac-Konzert im Jahr 2019 ist an sich schon erstaunlich. Zum | |
| einen hatte die Band drei unterschiedliche Perioden von großer Wirkmacht: | |
| Die wie gesagt psychedelische Rockphase in den 60ern; dann der | |
| Middle-of-the-Road-Erwachsenenrock aus den 70ern rund um die Überalben | |
| „Rumours“ (über 40 Millionen verkaufte Einheiten) und „Tusk“. Und | |
| schließlich der erstaunliche Radiopop, den sie auf „Tango in the Night“ von | |
| 1987 zeigten mit Hits wie „Little Lies“ und „Everywhere“, auf die sich … | |
| heute Indie-Acts wie Vampire Weekend schwärmend beziehen. | |
| Zum anderen, überlegte ich während der Bluespassagen von „Oh Well“, hörte | |
| sich da gerade ein ganzes großes Amphitheater teilweise 50 Jahre alte Musik | |
| an. Man stelle sich vor, es hätten sich 1969 irgendwo massenhaft Leute | |
| eingefunden, um Musik aus dem Jahr 1919 zu hören! Tatsächlich war das | |
| Publikum aber sehr durchmischt, altersbedingt, kulturell, national. Junge | |
| spanische Pärchen, Metal-Typen aus dem Umland, ältere Semester, die am | |
| nächsten Morgen wieder Schulklassen vorstehen würden, | |
| Bäckereifachverkäuferinnen mit Anhang, Musik-Bescheidwisser. Sie alle | |
| ließen sich vom Dauerregen nicht die Laune vermiesen. Auch nicht von der | |
| eher langgezogen wirkenden Show vorne auf der Bühne. | |
| Denn da ließ sich Mick Fleetwood mal gern eine gute Viertelstunde für lahme | |
| Trommelorgien feiern, während man sich überhaupt fragte, wer bei zwei | |
| Schlagzeugern eigentlich die Arbeit macht. Neil Finn ersetzte den leider | |
| ausgeschiedenen Lindsey Buckingham und durfte seinen Crowded-House-Überhit | |
| „Don’t Dream It’s Over“ schmettern. Popnummern wie „Hold Me“ bekame… | |
| Videosequenzen, die im Hintergrund liefen; die MoR-Nummern gemütlichten | |
| eher ein wenig belanglos vor sich hin. Fleetwood Mac, eine Band kurz vor | |
| der Frühpension. Vom Experiment, vom Rock’n’ Roll ist nur die | |
| Schweinerockgitarre als Zitat geblieben. Machte aber nichts, es war | |
| trotzdem gut. | |
| In der Zugabe wurde dann noch der Toten gedacht. „Free Fallin‘“ von Tom | |
| Petty wurde gegeben, die ehemaligen Bandmitglieder Bob Welch und Danny | |
| Kirwan weilen ja auch nicht mehr unter uns. Auch Dr. John ist an diesem | |
| regnerischen Tag von uns gegangen, was zur Stunde des Auftritts allerdings | |
| noch niemand wusste. | |
| Ansonsten wurde den Menschen aus vollen Händen gegeben, was sie wollten: | |
| Stevie Nicks sang „Dreams“, in der Zugabe hieß es natürlich „Don’t St… | |
| nämlich „thinking about tomorrow“, weil ja „yesterday’s gone“. Der e… | |
| Höhepunkt, und überhaupt der Grund, sich bei dem Sauwetter diese | |
| Veranstaltung zu geben, war die Schlussnummer im Hauptset: „You can go your | |
| own way“. Den sind dann nach dem Konzert auch alle gegangen. Das Kapitel | |
| Fleetwood Mac hat ein schönes, sogar anrührendes Ende gefunden. Trotz des | |
| Wetters. | |
| 8 Jun 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
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