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# taz.de -- „Es gibt keine unabhängigen Zeugen“
> Die Beweislage gegen seinen Mandanten sei dürftig, sagt Dmitri Dschulai,
> Anwalt des festgenommenen russischen Journalisten Iwan Golunow
Bild: Iwan Golunow am Samstag vor Gericht in Moskau
Interview Ekaterina Venkina
taz: Herr Dschulai, Iwan Golunow steht in Moskau unter Hausarrest. Wie geht
es ihm?
Dmitri Dschulai: Iwan geht es nicht gut. Es ist ihm nicht gestattet, mit
jemand anderem als dem Ermittler, seinen Anwälten und Beamten des Föderalen
Strafvollzugsdienstes zu sprechen. Spaziergänge sind ihm ebenfalls
untersagt. Wir haben den Ermittler um Erlaubnis gebeten, aber er hat die
Anfrage bisher nicht beantwortet.
Wie ist sein psychischer Zustand?
Iwan ist sehr verwirrt, erschrocken, vertraut niemandem. Er befürchtet,
dass er provoziert werden soll, die Bedingungen des Hausarrests zu
verletzen, und deswegen dann doch in Untersuchungshaft kommt.
Die ersten Ergebnisse einer forensischen Untersuchung der Mulltupfer, mit
denen seine Hände auf Drogen überprüft wurden, sind da. Wurden Drogen
nachgewiesen?
Für diese Untersuchung habe ich gekämpft. Sie wurde, weil der öffentliche
Druck so groß war, am nächsten Tag durchgeführt. Ihr Ergebnis ist negativ,
was darauf hindeutet, dass Iwan keine Drogen in die Hände genommen hat.
Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die Polizei diese
Untersuchung nicht durchführen wollte: weil sie die Unschuld von Iwan
beweist. Die Ergebnisse der Urinanalyse liegen auch vor. Auch dort wurden
keine Spuren von Rauschmitteln gefunden. Chefnarkologe Jewgeni Brün sagte,
dass bei Iwan keine Drogen im Körper entdeckt wurden. Und diese Ergebnisse
gelten nicht nur für einen Tag, sondern es geht dabei um längere Zeiträume,
denn Drogen bleiben lange im Körper.
Werden zusätzliche Untersuchungen durchgeführt? Die Ermittler sollen auf
einer psychiatrischen Untersuchung bestehen.
Die psychiatrische Untersuchung ist ein Standard, wenn es um schwere und
besonders schwere Verbrechen geht. Es wird auch eine weitere Untersuchung
durch einen Narkologen geben. Außerdem wurden Iwan Haarproben und
Kleidungsstücke entnommen und auf Drogenspuren untersucht. Es laufen auch
Untersuchungen, ob Fingerabdrücke und Fingerabrieb auf den beschlagnahmten
Beuteln vorhanden sind. Ihre Ergebnisse dürften bestätigen, dass Iwan diese
Beutel nicht in seinen Händen hatte, sondern dass sie ihm untergeschoben
wurden.
Sie haben einen Antrag bei der Ermittlungsbehörden gestellt, um
festzustellen, ob Ihr Mandant möglicherweise gefoltert wurde. Was wissen
Sie jetzt darüber?
Bisher gibt es keine Ergebnisse. Sie haben 30 Tage für die Überprüfung.
Innerhalb dieses Zeitraums müssen sie eine Antwort geben.
Sie planen eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte. Wurden auch andere internationale Institutionen
kontaktiert?
Es wird eine Beschwerde geben über die Bedingungen seiner Festnahme, da er
mehr als 48 Stunden gesetzeswidrig in Gewahrsam verbracht hat. Außerdem
wird es Beschwerden geben wegen der Verletzungen, die ihm die Polizei
zugefügt hat, auch wegen Folter. Abhängig von den Entscheidungen werden wir
uns überlegen, wen wir international noch einschalten sollen. Vielleicht
wird das Verfahren eingestellt.
Ist das überhaupt denkbar?Ich schließe das nicht vollständig aus. Aber ich
garantiere nicht, dass es so kommen wird.
Was wird Ihr nächster Schritt sein?
Faktisch haben die Ermittler keine Zeugen. Wenn Drogendealer inhaftiert
werden – und Iwan ist des Drogenhandels verdächtigt –, werden die Täter in
der Regel auf frischer Tat beim Verkauf von Drogen verhaftet. Iwan wurde
aber von der Straße weg festgenommen und dazu gibt es viele Fragen. So gibt
es keine Videoaufzeichnung davon, dass Iwan Drogen verkauft hat. Alle
bisherigen Beweise der Ermittler kamen unter sehr zweifelhaften Umständen
zusammen. Die Polizisten hatten reichlich Gelegenheit, ihm Drogen
unterzuschieben. Es gibt keine unabhängigen Zeugen.
[1][der tag]
12 Jun 2019
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## AUTOREN
Ekaterina Venkina
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