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# taz.de -- Öko kann auch glamourös
> Bling-Bling: Zwei Geschäftsfrauen aus Österreich verkaufen übers Internet
> veganen, plastikfreien und biologisch abbaubaren Glitzer. Auf trockenem
> Beton verrotten die Partikel aber nicht
Bild: Gehört zum Karneval in Rio und im Rheinland: jede Menge Glitzer
Von Sinan Recber
Im Brasilienurlaub während des legendären Karnevals in der Hauptstadt Rio
de Janeiro kamen die beiden Österreicherinnen Susanna Plankensteiner und
Tamara Schneider aus dem Stauen gar nicht mehr heraus: opulente Kostüme,
gigantische Festwagen, eine scheinbar endlose Party. Und eine riesige Menge
an winzigen, leuchtenden Partikeln – Glitzer, großzügig verteilt in
Gesichtern und auf Gewändern.
Dem fulminanten Umzug folgte die Ernüchterung: Die Straßen waren gesäumt
von Bergen an Plastik und Papier. Der Anblick der vermüllten Wege ging den
Freundinnen Susanna Plankensteiner, 29, und Tamara Schneider, 26, nicht aus
dem Kopf. Wo landet all der Müll, all der plastikversetzte Glitzer?,
fragten sie sich. Vermutlich auch bei den Schildkröten am nahe gelegenen
Strand und den Delfinen in den Buchten. „In Brasilien hat die Recherche
nach Glitzer begonnen, vielleicht gerade eben, weil die Natur dort so schön
ist“, sagt Susanna Plankensteiner im Rückblick.
Die Freundinnen suchten Glitzer, der keinen Schaden anrichtet. Sie fanden
europäische Produzenten, die biologisch abbaubaren anbieten – und
probierten sich durch eine ganze Palette von Bio-Angeboten. „Wir waren von
der Gesamtidee nicht so überzeugt, weil die Produzenten den Bio-Glitzer in
einem Plastikbehälter liefern“, berichtet Tamara Schneider.
Die Idee für den „NatureGlitz“ der beiden Frauen war geboren, ein
plastikfreies Label für veganen und biologisch abbaubaren Glitzer. Dabei
produzieren sie das Produkt nicht selbst, sondern lassen es herstellen.
Seit mehr als einem Jahr vertreiben die beiden Gründerinnen die veganen und
biologisch abbaubaren Teilchen, unter anderem in Reagenzgläschen mit Korken
und Gläsern mit Aluminiumdeckel. Sie verkaufen von Wien aus über das
Internet – zehn Gramm kosten ab 11,90 Euro.
Im Gegensatz zu herkömmlichem Plastikglitzer besteht ihr Bio-Bling-Bling
aus Zellulose, also pflanzlichen Zellwänden. Die Zellulose wiederum stammt
hauptsächlich von Eukalyptuspflanzen, den die Produzenten von „NatureGlitz“
von zertifizierten Bauern beziehen.
Aus welcher Region der Eukalyptus stammt, ist jedoch kaum nachvollziehbar:
Klar ist nur, dass der Eukalyptus nach Angaben der Produzenten das
PEFC-Siegel trägt. Das ist ein weltweiter „Wald-TÜV“, der nachhaltige
Waldbewirtschaftung bestätigt.
Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und der WWF bemängeln am
PEFC-Siegel allerdings ein schwaches Kontrollsystem, die pauschalen
Bewertungen von teilweise ganzen Waldregionen und dass die Vergabe des
Siegels nur auf Basis von Selbstauskünften der Forstbetriebe erfolgt. Laut
PEFC-Programm sind in Deutschland 7,3 Millionen Hektar Wald zertifiziert,
auf der ganzen Welt sogar mehr als 265 Millionen Hektar – das entspricht
einer Fläche, die siebenmal größer ist als die der Bundesrepublik.
Die Zellulose macht den Glitzer den Worten der Label-Gründerinnen zufolge
abbaubar. „Laut den Tests der Produzenten dauert der Abbauprozess im
Schnitt vier bis acht Wochen“, erklärt Susanna Plankensteiner. „Man kann
sich das vorstellen wie beim Blatt von einem Baum. Je feuchter und wärmer
die Umgebung ist, desto schneller verläuft der Abbauprozess.“ Heißt aber
auch: Wenn der Glitzer in sauberem Wasser schwimmt oder auf kaltem
Betonboden verstreut liegt, passiert nichts. „Es braucht Bakterien und
Mikroorganismen, die sowieso im Wald und im Meer vorkommen, damit sie den
Glitzer abbauen“, so Susanna Plankensteiner.
Während sie sich NatureGlitz in Vollzeit widmet, beteiligt sich Tamara
Schneider nebenbei an dem Unternehmen. Mittlerweile hat sie ihren Job bei
einem IT-Unternehmen in Barcelona gekündigt, um sich in Zukunft auf
NatureGlitz zu konzentrieren.
Die beiden Businesspartnerinnen freuen sich über das positive Echo ihrer
Kunden: „Wir kriegen zum Beispiel von Eltern Rückmeldungen darüber, dass
ihr Kind bei Plastikglitzer früher Ausschläge im Gesicht bekam und jetzt,
wo sie den Bio-Glitzer nutzen, nicht mehr“, sagt Tamara Schneider.
Bio-Glitzer nutzen mittlerweile nicht nur Festivalgänger und Partyleute,
sondern auch Clubs wie die Berliner „Wilde Renate“. Tony Ettelt, der
Geschäftsführer des Clubs, sagt: „Es ist bezüglich seiner Nachhaltigkeit
noch nicht perfekt, aber damit ist zumindest ein weiterer Schritt in die
richtige Richtung getan.“ Der Club habe keine Aktien an dem Produkt. „Wir
finden den Glitzer sympathisch.“
27 May 2019
## AUTOREN
Sinan Recber
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