# taz.de -- zwischen den rillen: Kein Wunderkind, kein Hund | |
Bild: Soccer Mommy: „Clean“ (Fat Possum/RoughTrade)Live: 22. 5. „Bumann … | |
Es gibt im Kulturbetrieb manch Etikett, das seinen Trägern mehr schadet als | |
nutzt. „Wunderkind“ zum Beispiel – ein Lob, dessen implizite | |
Erwartungshaltung wie ein Wackerstein am Hals der aufstrebenden Künstlerin | |
hängt. Im Indie-Rock muss sich derzeit Sophie Allison alias Soccer Mommy | |
mit dieser überlebensgroßen Auszeichnung herumschlagen. | |
Noch nicht lange her, da lud die Künstlerin aus Nashville verhuschte, nur | |
mit Gitarre instrumentierte Lo-Fi-Miniaturen auf der Plattform „bandcamp“ | |
hoch. Es folgten einige Tapes, die den Hype um die junge Frau befeuerten. | |
Knapp zwei Jahre später hat die 21-Jährige mit ihrem Album „Clean“ bereits | |
eine Rundfahrt durch viele Bestenlisten hinter sich. | |
Allison wurde zudem gemeinsam mit Kolleginnen wie Courtney Barnett und St. | |
Vincent zur Speerspitze einer angeblich neuen weiblichen Rockmusik erklärt. | |
Eine These, die inhaltlich zwar nicht mehr bieten kann als die bloße | |
Gemeinsamkeit Gitarre spielender Frauen, aber der Musikindustrie als | |
Verwertungsstrategie dient. „Das ist ermüdend“, sagt Allison. „Es ist zw… | |
toll, wenn damit Mädchen ermutigt werden, Rockmusik zu spielen. | |
Andererseits verhindert es den Diskurs über die dahintersteckende Kunst.“ | |
Allisons Erfolgsgeheimnis liegt in der Leichtigkeit, mit der sie ihre | |
Selbststudien zur emotionalen Blaupause macht. In ihren Songs geht es ums | |
Erwachsenwerden, um diesen nervösen Zustand zwischen Angst und Zuversicht, | |
Liebe und Enttäuschung. „Eigentlich komponiere ich immer nur für mich“, | |
sagt sie. „Offensichtlich können sich viele damit identifizieren. Letztlich | |
geht es nur darum, wie man als junger Mensch verzweifelt versucht, jemand | |
anderes zu werden.“ | |
„Clean“ ist ihre erste „richtiges“ Platte, wie sie sagt. Eine Abkehr von | |
den zusammengewürfelten Bedroom-Songs ihrer Anfangstage und ein Bekenntnis | |
zum Album als kohärentes Format. „Ich wollte etwas schaffen, dass in sich | |
stimmig ist.“ Das ist ihr gelungen, „Clean“ ist eine Platte, mit der sie | |
den Spagat zwischen DIY-Punk-Vergangenheit und schimmerndem Indie-Pop | |
mühelos meistert. Die Künstlerin, die bereits im Alter von fünf Jahren mit | |
dem Gitarrenspiel begonnen hat, setzt dabei ihr Instrument extrem clever | |
ein: Besonders mit dem Einsatz von offenen Stimmungen schafft sie einen | |
sanft umflossenen Hallraum, der Platz für ihre eigene Stimme lässt. | |
Was Soccer Mommy aber vor allem vom Lo-Fi-Rock-Bodensatz abhebt, ist die | |
unverhohlene Liebe zu den großen Melodien des Radiopop. „Ich bin nun mal | |
mit Avril Lavigne aufgewachsen. Ihre Musik wird immer einen Platz in meinem | |
Herzen haben“, sagt Allison. Wie sie die Eingängigkeit zuckriger Refrains | |
mit inhaltlichen Brüchen versetzt und verfremdet, macht „Clean“ so | |
bemerkenswert. Da wird schon mal Iggy Pop eine charmante Absage erteilt. „I | |
don’t wanna be your fucking dog“, macht sie in „Dog“ unmissverständlich | |
klar. | |
Bleibt also die Sache mit dem Wunderkind. Ob der plötzlich einsetzende | |
Erfolg viel geändert habe, wurde Allison gefragt. „Na ja, ich treffe jetzt | |
auch meine Idole, darunter sind leider ganz schöne Deppen“, antwortete | |
Allison. „Man lernt schnell.“ Es scheint, als müsse man sich keine Sorgen | |
um die Zukunft von Soccer Mommy machen. Alexander Graf | |
20 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Alexander Graf | |
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