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# taz.de -- Viel Lärm um wenige?
> Viele Geringverdiener werden von der Grundrente wohl nichts haben – zu
> wenig Jahre, zu hohe Mieten
Von Alicia Lindhoff
Lagerarbeiter*innen, Kassierer*innen oder Hilfskräfte in der Gastronomie:
solche Berufsgruppen werden von der geplanten Grundrente am meisten
profitieren – so zumindest steht es in einem Informationsblatt des
federführenden Arbeitsministeriums.
Ein niedriges Durchschnittseinkommen und mindestens 35 Beitragsjahre, diese
Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit jemand von der Grundrente
profitiert. Doch gerade Menschen, die in niedrig bezahlten
Dienstleistungsjobs arbeiten, sind besonders häufig von Arbeitslosigkeit
und unterbrochenen Erwerbsbiografien betroffen. Umso wahrscheinlicher ist
es, dass sie am Ende ihres Arbeitslebens weniger als die nötigen 35 Jahre
vorweisen können.
Der FDP-Abgeordnete Johannes Vogel spricht von einem „Fallbeileffekt“, der
einen Großteil derer, die das Geld am nötigsten bräuchten, von der
Grundrente ausschließe. Aus einer Anfang Mai veröffentlichten Antwort der
Bundesregierung auf eine Anfrage seiner Fraktion geht hervor, dass fast 6
Millionen der rund 12,8 Millionen Rentner*innen in Deutschland keine Chance
haben, die Grundrente zu bekommen, weil sie nicht genug Beitragsjahre
aufweisen können. Aber: Das Risiko der Altersarmut ist in dieser Gruppe
deutlich höher als bei den langjährigen Beitragszahlern. 3,9 Millionen
Menschen, die weniger als 35 Beitragsjahre aufweisen können, haben über ihr
Arbeitsleben hinweg nur 20 bis 80 Prozent des Durchschnittseinkommens
verdient. „Für diese Menschen tut die Bundesregierung nichts, dabei sind
gerade sie oftmals besonders von Altersarmut bedroht“, sagt Vogel.
Unter den 7 Millionen Menschen, die mehr als 35 Beitragsjahre angesammelt
haben, gelten nur 1,9 Millionen als Geringverdiener.
Auch Joachim Rock, Rentenexperte des Paritätischen Gesamtverbands, fordert
mehr Kulanz. Auch Menschen, die etwas weniger als die 35 „Grundrentenjahre“
erreicht haben, sollten Ansprüche geltend machen können. Vor allem aber
plädiert Rock dafür, mehr Jahre in die Rechnung einzubeziehen. Denn bislang
sollen nur die Zeiten angerechnet werden, in denen die Person einer
versicherten Tätigkeit nachgegangen ist, Kinder erzogen oder Angehörige
gepflegt hat. Aber auch wer Arbeitslosengeld bekomme, sei
pflichtversichert. Das sollte ebenfalls berücksichtigt werden, findet Rock.
Anders als die FDP stellt er das Konzept der Grundrente aber nicht
grundsätzlich in Frage. Sie sei ein positives Instrument, gerade um die
„Dunkelziffer der verschämten Armut aufzulösen“. Komme sie doch vielen
zugute, die schon jetzt Anspruch auf Grundsicherung hätten, aber den Gang
zum Sozialamt scheuten.
Doch ob dieser Effekt eintritt. steht zumindest bei einem Teil der
Rentner*innen infrage. Denn die Antwort der Bundesregierung an die
FDP-Anfrage zeigt: Durch die hohen Mieten in Ballungszentren wie München,
Frankfurt am Main und Stuttgart liegt das Niveau der Grundsicherung dort so
hoch, dass die bedürftigen Rentner*innen von der Grundrente gar nicht
profitieren würden.
Im Informationsschreiben nennt das Arbeitsministerium als Beispiel einer
Grundrenten-Profiteurin eine Friseurin, die 40 Jahre lang für 40 Prozent
des Durchschnittslohns gearbeitet hat. Nach der aktuellen Rechnung des
Ministeriums würde ihre Rente von 512 auf gut 960 Euro aufgestockt – also
auf fast das Doppelte. Allerdings: Wenn diese Friseurin in Stuttgart lebte,
profitierte sie von der Grundrente überhaupt nicht – weil sie ohnehin
Anspruch auf eine Grundsicherung von 975 Euro hätte. Der Gang zum Amt
bliebe ihr nicht erspart.
24 May 2019
## AUTOREN
Alicia Lindhoff
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