Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- rezo-video: Die fünf Millionen Plagen der AKK
> Erst wollten die Christdemokraten mit einem Video auf den YouTube-Hit von
> Rezo reagieren, dann rangen sie sich nur zu einer Erklärung durch
Von Lilly Schlagnitweit
Twitter überschlug sich in Vorfreude: Die CDU, so war es auch der taz am
Mittwoch noch bestätigt worden, habe ein Video produziert, das noch am
Nachmittag veröffentlicht werde. Es sollte eine Reaktion sein auf das Video
„Die Zerstörung der CDU“, in dem YouTuber Rezo Kritik an der
Bundesregierung übt. Dass zur Verteidigung der CDU tatsächlich ihr
Bundestagsabgeordneter Philipp Amthor vor die Kamera treten und zum
Gegenschlag ausholen würde, war erst vom Gazatteur als Witz in die Welt
gesetzt worden.
Dann beschloss die CDU, aus Satire Ernst zu machen. Die Nachricht, ein
Antwortvideo mit Amthor sei bereits produziert und werde am Mittwoch noch
veröffentlicht verbreitete sich in Windeseile. Twitter stellte das Popcorn
bereit, aber dann: Nichts. Nach Informationen des Redaktionsnetzwerks
Deutschland hatte der CDU-Parteivorstand Sorge bekommen, ein Video mit
„einem einfachen Bundestagsabgeordneten“ wie Amthor könnte Generalsekretär
Paul Ziemiak schaden.
Rezo, 26, Klarname unbekannt, unterhält seine 1,5 Millionen Abonnent*innen
normalerweise eher mit unterhaltsamen Comedy- und Musikvideos. Am
Samstagabend setzte er aber zu einer 55-minütigen Abrechnung mit der CDU
an, in der auch die Co-Regierungsparteien CSU und SPD sowie die AfD ihr
Fett wegbekommen. Darin geht es vor allem um Klimapolitik: Rezo erklärt,
leicht verständlich und in drastischen Worten, warum der Klimawandel keine
Meinung, sondern Fakt sei und dass deshalb schleunigst weitgehende
Maßnahmen ergriffen werden müssten. Denn: „sonst Welt kaputt“. Die
Bundesregierung stecke jedoch zu niedrige Ziele und halte diese dann noch
nicht einmal ein. Auch das stille Einverständnis der Regierungsparteien mit
der Rolle, die der Militärstützpunkt in Ramstein für Drohnenangriffe der
USA spielt, kritisiert Rezo. Am Rande werden auch soziale Ungleichheit und
Bildungsausgaben thematisiert. Rezos Hauptaussage ist aber: CDU, CSU und
SPD setzen mit politischen Entscheidungen an den verzweifelten Appellen der
Wissenschaft vorbei unsere Zukunft aufs Spiel, deshalb dürfe man sie nicht
wählen. „Ich habe mich gefragt, warum wir nicht eigentlich auch noch
verantwortlich sind für die sieben Plagen, die es damals in Ägypten gab“,
zitiert das ZDF Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Das erweckt nicht
den Eindruck, als würden die Christdemokraten Rezos Kritik und die vielen
Likes für das Video ernst nehmen und zu versuchen, ihr gute Argumente
entgegenzusetzen.
Inzwischen haben sich auch Paul Ziemiak und Philipp Amthor zum Thema
geäußert. Sie sagen weitgehend dasselbe: Die Fakten, auf die Rezo sich
bezieht, wollten sie nicht anzweifeln, sie würden aber nur einen Teil der
Wahrheit abbilden. Man wolle einen Dialog statt eines Video-Battles.
Ähnliches findet sich auch in der offenen Antwort an Rezo auf der
CDU-Homepage. Den an gleicher Stelle veröffentlichten „Faktencheck“ werden
sich wohl nur wenige der Menschen durchlesen, die sich ein Video vielleicht
angesehen hätten.
Bemerkenswert ist an Rezos Video vor allem, dass er seine Reichweite nutzt,
um viele junge Menschen über Politik zu informieren, dass er dafür
Komplexes manchmal vereinfacht, aber auf zwölf Seiten seine Quellen
darlegt. Ein Beispiel für das meinungsbildende Potenzial neuer Medien.
Inzwischen wurde das Video mehr als fünf Millionen Mal aufgerufen und hat
neben viel positiver Resonanz auch Empörung und Kritik ausgelöst. Rezo
berichtete sogar von Morddrohungen. Auf jeden Fall hatte der YouTuber
plötzlich so viel Einfluss und Reichweite, dass die angegriffene Partei
nicht anders konnte, als irgendwie zu reagieren. Vielleicht wäre ein
Antwortvideo mit Amthor mit einer ausführlichen Stellungnahme gar keine
schlechte Option gewesen. Twitter hätte sich gefreut.
24 May 2019
## AUTOREN
Lilly Schlagnitweit
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.