# taz.de -- Wehe, wer dieSchnepfe stört | |
> Niedersachsen ist keine gute Heimat für Lerche, Schnepfe und Kiebitz. Ein | |
> Grund ist die industrielle Landwirtschaft. Einige Spezies drohen | |
> auszusterben. Naturschützer versuchen, das aufzuhalten | |
Bild: Abb.6: Nicht norddeutsch, aber ausgestorben: die Nordinsel-Schnepfe | |
Von Thomas Schumacher | |
Das Rebhuhn ist dann mal weg. Den Allerweltsvogel, der vor Jahren in der | |
Pfanne vieler Ostfriesen schmurgelte, den gibt es nicht mehr. Klaus Rettig, | |
legendärer Vogelbeobachter aus Emden, hat jahrelang das Verschwinden des | |
Rebhuhns dokumentiert. Heute gibt es nur noch eine kleine Population in der | |
Küstenregion. Wo, das verraten wir nicht. Die letzten Vögel sollen nicht | |
auch in der Pfanne enden. | |
Das witzige Gezeter einer Feldlerche hört man heute nur noch ganz selten. | |
Und Kiebitze? Nachbar Zuidema erzählt, dass sie vor Jahrzehnten die | |
Kuhweiden abgewandert sind und Kiebitzeier gesammelt haben. Vor 1910 | |
mussten aus Ostfriesland Kiebitzeier an den preußischen Hof geliefert | |
werden. Tausende Vögel brüteten in den Meeden und Marschen. Heute kniet man | |
vor jedem Kiebitz nieder, der sich traut, in den Wiesen zu brüten. Es gibt | |
laut Naturschutzbund Nabu nur noch 1.200 Brutpaare in ganz Niedersachsen. | |
Aggressiver Tourismus, intensive Landwirtschaft und brutale | |
Flächenversiegelung rauben in Ostfriesland vielen Tieren die | |
Lebensgrundlage. Hier gibt es keine Tiger, keine Orcas, keine Blauwale, | |
keine Berggorillas. Eine Uferschnepfe oder eine Seeschwalbe wären genauso | |
schützenswert. Aber wen interessiert eine Uferschnepfe? Die Bekassine, wer | |
kennt das Viech überhaupt? Die Bekassine braucht wie fast alle Wiesenvögel | |
eine naturnah bewirtschaftete Weide. „Das Problem ist die Silagefütterung | |
der Kühe“, meint Michael Steven, Leiter der Ökologischen Nabu-Station | |
Ostfriesland in Wiegboldsbur. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen | |
empfiehlt ihren Mitgliedern einen Kuhbestand von rund 200 Tieren, um | |
rentabel zu arbeiten. „Das ist mit reiner Weidehaltung nicht zu schaffen“, | |
sagt Steven. Konsequenz: Die Tiere werden im Stall gemanagt, die Weiden zu | |
intensiv begüllten Produktionsflächen von Silageheu, gemäht wird, so oft es | |
geht. Das hält kein Wiesenvogel aus. | |
„Alles hängt leider mit allem zusammen. Wenn wir echten Naturschutz | |
betreiben wollen, brauchen wir die Landwirte. Deren Arbeit muss sich aber | |
auch rentieren“, meint Steven. Deswegen kooperiert der Nabu mit Landwirten | |
aus der Region. Seit über dreißig Jahren kauft der Naturschutzbund | |
Weideflächen auf und versucht, diese mit Hilfe von Landwirten naturnah zu | |
bewirtschaften. | |
So zum Beispiel die Grön Breike in Südbrookmerland. Das ehemalige | |
Niedermoor ist zum Glück schwer zu finden. An dieses Ende der Welt verirrt | |
sich kein Tourist. Vor 30 Jahren war die intensiv genutzte Fläche so gut | |
wie tot. „Wir haben zuerst die natürlichen Meedenlandschaft hergestellt. | |
Das heißt, Sträucher und Bäume wurden entfernt. Dann haben wir die | |
Bewässerung reguliert, damit wir je nach Bedarf be- oder entwässern | |
können“, erklärt Steven. Heute ist die Grön Breike eine typische | |
Wiesenlandschaft. Hier gibt es noch die endlose Weite. Und es gibt wieder | |
Wiesenvögel, die brüten. Und die Brut überlebt. | |
„Wir reden mit den Bauern und sprechen mit ihnen ab, wann sie mähen dürfen. | |
Wir markieren die Nester, um die dann großzügig herumgemäht wird. Wir | |
organisieren Subventionen“, sagt Steven. Ihm ist klar, dass die | |
Nabu-Flächen das Artensterben nicht aufhalten können. Sie würden aber | |
Modelle liefern. Grundsätzlich, meint er, müsse sich die Landwirtschaft | |
allgemein verändern, wollte man ein Artensterben aufhalten. Das sei aber | |
noch lange nicht in alle Köpfe gedrungen. Heute freut er sich erst mal über | |
die zwölf Brutpaare von Schnepfen und die Kiebitzbrutpaare. Und als sei sie | |
extra bestellt: Eine Feldlerche schirrt in der Luft und macht sich | |
lautstark bemerkbar. | |
18 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Thomas Schumacher | |
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