# taz.de -- Keine Bühnefür Alphas | |
> Die Konferenz „Burning Issues“ über Geschlechterungleichheit am Theater, | |
> initiiert vom Ensemble-Netzwerk, fand als Teil des Berliner | |
> Theatertreffens statt. Das Ziel: ein bisschen Revolution | |
Bild: Nicola Bramkamp (l.) und Lisa Jopt sind die Initiatorinnen von „Burning… | |
Von Daphne Weber | |
Vor dem Haus der Berliner Festspiele steht eine lange Schlange – ein | |
normales Szenario beim Berliner Theatertreffen. Das Besondere: Es sind | |
ausschließlich Frauen, die da auf Einlass warten. Am Freitag eröffnete die | |
Konferenz „Burning Issues. Konferenz zu Gender(un)gleichheit“ am Theater | |
als Teil des Berliner Theatertreffens 2019, initiiert vom umtriebigen | |
Ensemble-Netzwerk. | |
## Von Macht und Solidarität | |
Zur ersten Abendveranstaltung waren nur Frauen zugelassen, „ladies only“ | |
steht auf dem Programmheft. Das gesamte Wochenende über fanden Workshops | |
statt, in denen Theatermacher*innen andere Theatermacher*innen | |
unterrichten. Man diskutierte über Solidarität am Theater, über | |
Machtmissbrauch, feministische Ästhetik, Körpernormen oder kollektives | |
Arbeiten. Workshopleiterinnen und Diskutantinnen waren unter anderem die | |
Intendant*innen Barbara Mundel, Maria Fleming oder Hasko Weber, Gruppen wie | |
SheShePop und Autor*innen wie Nele Stuhler, John von Düffel und Darja | |
Stocker. | |
Erst Ende April hatte Yvonne Büdenhölzer, Leiterin des Theatertreffens, für | |
Aufsehen gesorgt: Für die kommenden zwei Jahre verkündete sie eine | |
Frauenquote für die eingeladenen Inszenierungen. Die Frage, ob es intern | |
Gegenwind gab, verneint Büdenhölzer überraschend. Kritik komme | |
hauptsächlich von außen, von konservativen Presseorganen, die der | |
Überzeugung sind, die Frauenquote schade vor allem den Frauen. | |
Eine Sichtweise, die eine freischaffende Regisseurin, die zu „Burning | |
Issues“ gekommen ist, nicht teilen kann: „Ich sehe mich permanent mit | |
Missständen konfrontiert, muss mich viel härter beweisen als männliche | |
Kollegen. Eine Quote schafft erst mal ein Bewusstsein für das Anliegen, | |
dass zu wenig Frauen an großen Bühnen inszenieren, und das hilft mir als | |
Frau ganz konkret – und vielen anderen Frauen in künstlerischen Berufen.“ | |
Es ist der Tenor des Konferenzauftakts, dass man gemeinsam etwas bewegen | |
und nicht gegeneinander arbeiten wolle. In einem Theatersystem, das | |
Künstler*innen ganz generell zu Konkurrent*innen erzieht, ist es vor allem | |
die Last der Frauen, sich gegenüber männlichen Mitstreitern – aber auch | |
untereinander – zu behaupten. Damit brechen die Initiatorinnen von „Burning | |
Issues“. Liebevoll redet Lisa Jopt, Gründerin des Ensemble-Netzwerks, die | |
zuhörenden Frauen in ihrem Eröffnungsbeitrag mit „Sisters“ an. | |
Maria Nübling, Leiterin des Stückemarkts, beschwört euphorisch „die letzten | |
Tage des Theaterpatriarchats“. So weit, so pathetisch. Aber es fehlt das | |
ganz große Pathos der Alpha-Platzhirsche an diesem Abend. Büdenhölzer, | |
Jopt, Nübling, Laura Kiehne vom Ensemble-Netzwerk und Dramaturgin Nicola | |
Bramkamp, die zu fünft die Konferenz eröffnen, sind lässig, fröhlich und | |
auf dem Teppich geblieben. Es geht ihnen nicht darum, sich selbst in Szene | |
zu setzen und verbalradikale Reden zu schwingen, sondern ganz konkret | |
Veränderung zu bewirken. Das fesselt die Zuhörerinnen. Sie alle teilen | |
einen Alltag, der wenig auf ihre Bedürfnisse als Künstlerinnen Rücksicht | |
nimmt – und auf ihre menschlichen schon gar nicht. | |
Die Ensemble-Netzwerkerin Kiehne stellt nüchtern die Ziele der neuen | |
Kampagne des Ensemble-Netzwerks vor. „Ziele 3000“ heißt das Dokument und | |
besteht aus vier Bausteinen: Zeit, Geld, Teilhabe und Respekt. Die | |
Künstler*innen streiten für eine maximale Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, | |
in die auch zeitaufwändige Tätigkeiten wie „Text lernen“ fällt, mehr Zeit | |
für die Familie und probenfreie Samstage. Der Aspekt „Geld“ beinhaltet eine | |
Mindestgage von 3.000 Euro. Theatermacher*innen sind überdurchschnittlich | |
häufig von Altersarmut betroffen. Nur eine Erhöhung der Gagen und die | |
Festlegung solider Mindestgagen kann dem langfristig vorbeugen. | |
„Teilhabe“ meint eigentlich Demokratisierung. Die sehr hierarchisch | |
strukturierten Theaterbetriebe erlauben auch dem künstlerischen Personal | |
kaum Mitsprache. Das Ensemble-Netzwerk fordert, Ensemblevertretungen | |
dauerhaft und rechtlich verlässlich in den Betrieben zu verankern – eine | |
Forderung, die in anderen Betrieben selbstverständlich ist. Der Teilbereich | |
„Respekt“ subsummiert im Grunde Forderungen nach Arbeitnehmerschutz, der in | |
vielen anderen Sektoren auf dem Arbeitsmarkt sozialer Mindeststandard ist. | |
Ein Höhepunkt des Abends ist die Rede von Renate Klett, die in den 80er | |
Jahren die Initiative „Frauen im Theater“ und 1980 das erste | |
Frauentheaterfestival in Köln mitgegründet hat. „Dieselben Fragen, die ihr | |
euch stellt, haben wir schon in den 80ern diskutiert“, sagt sie. Viele der | |
überwiegend jungen Frauen im Publikum reagieren überrascht, manche seufzen. | |
Die Mühlen der gesellschaftlichen Veränderung mahlen langsam und Klett | |
zeigt, wie unschätzbar wichtig organisatorische Kontinuität und | |
historisches Bewusstsein sind. „Schön, dass wieder Aufbruchstimmung | |
herrscht. Sprecht mich an, ich hab ein paar Anekdoten auf dem Kasten“, | |
beendet Klett ihre Rede, ganz unprätentiös. | |
Die Frauen klatschen, man umarmt sich. Die Stimmung ist beseelt und | |
solidarisch. Auf die Frage, warum sie zu „Burning Issues“ gekommen sind, | |
antworten zwei Frauen aus der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines | |
Stadttheaters im Süddeutschen Raum: „Revolution! Was sonst?“ | |
20 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Daphne Weber | |
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