# taz.de -- heute in hamburg: „Migrantisch-situiertes Wissen hörbar machen“ | |
Interview Marinus Reuter | |
taz: Frau Bilir-Meier, ihre aktuelle Filmarbeit heißt „This makes me want | |
to predict the past“. Wer möchte da welche Vergangenheit vorhersagen? | |
Cana Bilir-Meier: Zwei junge Frauen, mit kurdischem und türkischem | |
Hintergrund, erkunden das Olympia-Einkaufszentrum in München … | |
… hier wurden 2016 bei einem rassistischen Attentat neun Menschen mit | |
Migrationshintergrund ermordet. | |
… im Off-Text hört man Kommentare junger Menschen als Gedicht. Sie | |
berichten von ihren Träumen, Wünschen und Ängsten. | |
Wie geht es weiter? | |
Die beiden Frauen besuchen noch das Mahnmal für den Anschlag, vieles bleibt | |
aber abstrakt. | |
Weshalb ist Ihnen die Verknüpfung von Rassismuserfahrungen mit Geschichte | |
so wichtig? | |
Unter den Gastarbeitern der 1970er- und 1980er-Jahre waren sehr | |
intellektuelle Menschen, die mit ihren Ideen und Visionen Projekte auf den | |
Weg gebracht haben. Deshalb ist es wichtig, sich auf die Geschichte zu | |
beziehen: Heute können wir über etwas reden, weil zuvor schon Arbeit | |
geleistet wurde. | |
Was bleibt dennoch unerzählt und wie greifen sie ein? | |
Mir geht es nicht darum zu sagen: So war es nicht. Ich möchte etwas | |
hinzufügen. Es ist wichtig, unterschiedliche Geschichten von unserer | |
Vergangenheit ganz selbstverständlich mitzuerzählen. In unserer offiziellen | |
Geschichtsschreibung werden aber die Geschichten derer ausgelassen, die | |
nicht die richtigen Positionen haben: Migranten und Geflüchtete und | |
Menschen ohne Privilegien. | |
Wie machen sie das in Ihrer Ausstellung? | |
Indem ich sie mit der Stadt verbinde und institutionelle Räume öffne. Diese | |
Geschichten sind in der Stadtgesellschaft entstanden, zum Beispiel die der | |
Schriftstellerin Semra Ertan. | |
1982 verbrannte sich Ertan öffentlich in Hamburg als Zeichen gegen den | |
vorherrschenden Rassismus. | |
Davon handelt eine meiner Arbeiten. Ein Rahmenprogramm bezieht | |
anti-rassistische Initiativen aus Hamburg ein, um das migrantisch-situierte | |
Wissen hörbar und laut zu machen. Denn dieses Wissen empowert auch andere | |
Betroffene. Aus diesem Wissen heraus entwickle ich filmische Formen, in | |
denen sich die Geschichten mit anderen Erzählungen wie Musik und Literatur | |
vereinen. | |
17 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Marinus Reuter | |
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