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# taz.de -- Brezen, Nails und eine Dragqeen
> Die Doku „24h Europe“ krankt an einer arg deutschen Perspektive
Verschiedene Orte in Europa, etwa 20.20 Uhr. Der Italiener Almerigo,
Mitglied der rechtsextremen Forza Nuova, patrouilliert in seiner
Heimatstadt Triest; die junge serbische Ärztin Verica ist nach langer Reise
in Deutschland angekommen; in Berlin macht sich Dragqueen und YouTuberin
Candy auf den Weg zu einem Termin und in Magnitogorsk sitzt Nastia mit
ihrer Mutter am Küchentisch und macht ihr die Nägel. Die Dokumentation „24h
Europe – The Next Generation“ erzählt die Geschichte ein und desselben Tags
aus den Perspektiven von 60 jungen Europäer*innen – in Echtzeit.
Die Idee ist nicht neu: Mit „24h Berlin – Ein Tag im Leben“ strahlten die
Fernsehsender Arte und RBB bereits 2009 die erste Dokumentation von
Regisseur Volker Heise aus, die einen ganzen Tag lang zwischen den Leben
unterschiedlichster Protagonist*innen hin- und herzappt. Es folgten „24h
Jerusalem“ und „24h Bayern – Ein Tag Heimat“. Zehn Jahre nach Berlin nun
also Europa.
Die Doku macht bei Arte und RBB den Auftakt zur Europawahlberichterstattung
und gibt sich betont antizentralistisch: Geschichten und Personen aus den
EU-Hegemonialmächten Frankreich und Deutschland bekommen gerade so viel
Platz zugesprochen wie Länder, deren politischer Einfluss in Europa ebenso
randständig ist wie ihre geografische Lage. Eine Art föderalistische
Dokumentation – mit einem strukturellen Problem: Bei „24h Europe“ wirkte
Heise nur noch im Hintergrund. Die Gesamtregie übernahmen die Deutschen
Britt Beyer und Vassili Silovic, während 48 Regisseur*innen die Arbeit an
den verschiedenen Drehorten leiteten.
Hieran scheint das Projekt zu kranken, denn letztendlich wirkt es wieder
wie eine Perspektive auf Europa, in deren Zentrum eine freiheitlich
organisierte deutsche Gesellschaft steht, wenn das Bild vom Neonazi
Almerigo zur jungen Serbin Verica wechselt, die mit Breze und Radler auf
dem Bahnsteig des Bahnhofs der bayerischen Domstadt Freising sitzend
erzählt, ihr Traum habe sich nun erfüllt; und wenn die Berliner Dragqueen
Candy den in die Rentnerjahre gekommenen Hardy zur Frau umstylt, während im
russischen Magnitogorsk Nastia ihrer Mutter die Nägel macht und dabei
feststellt: „Wir haben in Russland doch eigentlich eine Diktatur.“ Moritz
Döring
6 May 2019
## AUTOREN
Moritz Döring
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