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# taz.de -- Internationaler Tag der Pressefreiheit: „Wir sind eine Zeitung oh…
> Der ehemalige Chefredakteur der Tageszeitung „Birgün“, Barış İnce, ü…
> die Entwicklung der Pressefreiheit in der Türkei und die Lage
> alternativer Medien.
Bild: Gegen die Tageszeitung BirGün laufen derzeit über hundert Prozesse, geg…
taz gazete: Herr İnce, seit zehn Jahren leiten Sie die alternative
Tageszeitung BirGün, bis 2015 als Chefredakteur, seitdem im
Herausgeberbeirat. Wie viele Verfahren laufen derzeit gegen Ihre Zeitung
und gegen Sie?
Barış İnce: Über hundert. Die meisten wegen Beleidigung des
Staatspräsidenten Erdoğan und anderen AKP-Funktionären. Gegen mich allein
laufen vier Prozesse, alle wegen Beleidigung. Außerdem ermitteln die
Behörden wegen Terrorismus gegen uns. Das sind Drohungen.
Im Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen steht die Türkei auch
dieses Jahr wieder auf Platz 157 von 180 Ländern. Ist also alles beim
Alten?
Im Verlauf von nur einem Jahr sind die großen Blätter in andere Hände
übergegangen. Die Prozesse gegen BirGün, Evrensel, Cumhuriyet und Sözcü
dauern an. Man kann sagen, dass kaum noch ein Journalist da ist, den die
Behörden anklagen könnten.
Wann begann die Regierung, die Pressefreiheit einzuschränken?
Die Lage begann sich mit dem Referendum 2010 über die Verfassungsreform zu
verschlechtern. Das war ein Bruch. Als die Justiz unter AKP-Kontrolle kam,
häuften sich die Prozesse. Nach den Gezi-Protesten 2013 fing die Regierung
mit Vergeltungsmaßnahmen an. Nach Korruptionsermittlungen gegen die AKP
ließ Erdoğan alle, die über die Korruptionsvorwürfe berichteten, mit
Prozessen überziehen.
Was passierte nach dem Putschversuch 2016?
Eine neue Ära setzte ein. Seitdem wird Kritik an Erdoğan und die
Berichterstattung über die Korruptionsfälle unter dem verschwommenen
Straftatbestand „Unterstützung von FETÖ/PDY“ [Fethullahistische
Terrororganisation/Parallel-Staat-Struktur; Anm.d.Red.] strafrechtlich
verfolgt.
Wie wirkt sich das auf Ihre Zeitung aus?
Unser Modell gründet sich auf die Teilhabe vieler. BirGün wurde mit dem
Kapital der Teilhaber*innen gegründet. Wir sind eine Zeitung ohne Chef.
Wir hatten schon immer finanzielle Schwierigkeiten. Papier zu beschaffen,
das in der Türkei aus dem Ausland importiert wird, und Anzeigen zu bekommen
ist problematisch. BirGün profitierte stark von dem Interesse an
alternativen Medien, das nach den Gezi-Protesten enorm anstieg.
Wie wirkte sich das auf Ihre Auflage aus?
Sie schnellte damals von 5.000 auf 30.000 hoch. Doch als die Regierung
keine staatlichen Anzeigen mehr schaltete, wuchsen die Schwierigkeiten.
Agenturen und Unternehmen sind nervös. Sie denken, es sei zu riskant, in
oppositionellen Zeitungen zu werben. Heute ist unsere Auflage wieder auf
5.000 zurückgegangen.
Wie haben Sie diese Probleme überwunden?
Wir haben eine Kampagne für Bürger*innen-Abos organisiert und so die Krise
bewältigt. Allerdings müssen wir uns anpassen. Die Leute informieren sich
immer mehr in den sozialen Medien. Deshalb wollen wir den Schwerpunkt der
Berichterstattung ins Netz verlegen. Wir veröffentlichen schon jetzt mehr
Meldungen, Videos und Interviews im Internet.
Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe
3 May 2019
## AUTOREN
Uygar Önder Şimşek
## TAGS
taz.gazete
Politik
Türkei
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