# taz.de -- Die Levetzow-Girls werden erwartet | |
> Elisa Duca und Robin Detje schaffen ein besonderes Porträt des Stadtteils | |
> Moabit und seiner Bewohner in der Galerie Nord | |
Bild: In der Galerie Nord wächst die Strecke der Dinge, die „Processing:Moab… | |
Von Jan Bykowski | |
Moabit ist mehr als das alte Gefängnis und das gefühlt kaum jüngere | |
Versprechen, der kommende Bezirk zu sein. Aber was genau ist Moabit | |
eigentlich? In ihrer performativen Installation „Processing : Moabit“ | |
erschafft das Künstlerpaar Elisa Duca und Robin Detje ein besonderes | |
Porträt. Sie durchstreiften diesen Teil Berlins auf der Suche nach Objekten | |
aus dem Leben seiner Bewohner, um sie in der Galerie Nord in der Turmstraße | |
zu einer Installation zu arrangieren. In performativen Interventionen, | |
spontan oder mit angekündigtem Termin, gruppieren sie alltägliche, | |
überraschende und sehr spezielle Stücke, manche ohne weitere Bedeutung, | |
manche von Wichtigkeit für die ehemaligen Besitzer. | |
Nicht zu allen Elementen kann und will Robin Detje eine Geschichte | |
erzählen, aber zu vielen gibt es einen Hintergrund. Ein Aquarium stammt aus | |
einem asiatischen Restaurant, das kurz nach dem Besuch der Künstler – wohl | |
aus anderen Gründen – geschlossen wurde. Um ein kleines Plastikmodell eines | |
chinesischen Turmes zieht ein Goldfisch immer noch seine Bahnen. In der | |
Galerie ist er in eine Sichtachse mit einer afrikanischen Maske geraten, | |
die vom Dachboden eines anderen Haushaltes stammt und bei der es sich wohl | |
um ein authentisches Kunstwerk handelt. | |
Nicht nur der Raum des Kunstvereins stellt Bedeutung her, auch die | |
Kombinationen mit anderen Objekten führt zu gewollten oder zufälligen, | |
jedenfalls neuen Sichtweisen. Ein Buch der SPD liegt auf einem mit einem | |
Muster aus roten Rosen verzierten Klodeckel. Allerdings hat hier kein | |
Parteimitglied seiner Enttäuschung ausgedrückt, es passte einfach farblich. | |
Nur hin und wieder finden sich Stücke, die als Werke für diese Ausstellung | |
geschaffen wurden. Kleine Puzzles sind aus Fotografien gefertigt worden, im | |
Schaufenster liegt ein Moabit-Memoryspiel. Drei Karten sind umgedreht, so | |
kann man auch im Vorbeigehen von der Straße aus in der Performance | |
teilnehmen. | |
Die Fenster sind einer der Gründe, aus denen die Wahl auf Moabit fiel, das | |
Robin Detje gar nicht provinziell findet. „Bangalore ist auch nur eine | |
riesige Kleinstadt“, sagt er im Hinblick auf eine frühere, ähnliche Aktion, | |
die das Künstlerpaar mit Hilfe des Goethe-Instituts in Indien durchführen | |
konnte. Über die Möglichkeit an der Turmstraße freut er sich aus mehreren | |
Gründen. Die Glasfronten geben einen weiten Blick auf die Umgebung frei, | |
deren Bewohner sich nur manchmal durch das Kunstvolk auf ihrer Straße | |
belästigt fühlen. Viel typischer sei eine äußerst positive Reaktion in | |
diesem Bezirk, der Robin Detje weit weniger testosterongetrieben erscheint, | |
als er es in Neukölln wahrnimmt. | |
## Ein elektrisches Huhn | |
Gern geben die entspannten Moabiter ihre Beiträge zur Installation. Das | |
stetig wachsende Panoptikum füllt bisher erst etwa ein Drittel der Räume, | |
aber eine Erkenntnis stellt sich bereits ein: Es ist kaum zu glauben, was | |
alles produziert wird! Künstliche Fingernägel, Plastikfedern, allerlei | |
Dekorationsstücke und verblüffende Spielzeuge. Ein elektrisches Huhn | |
durchbricht die Stille, in der Elisa Duca in einer „Performativen | |
Interventionen“ schweigend die Ausstellung ergänzt und re-arrangiert. Von | |
einer eingängigen Melodie begleitet bewegt sich das batteriegetriebene Tier | |
über den Boden der Galerie Nord, um hin und wieder aus einer Klappe ein | |
Plastikei zu legen. Dabei fährt es sich in einer Lake aus glibberigem | |
Kunststoffschleim fest. Von diesem faszinierenden Schauspiel gefesselt | |
bemerkt das Publikum zunächst kaum, dass die Performer den Raum verlassen | |
hat. | |
Dabei ist „Processing : Moabit“ kein toter Schrein, die Menschen des | |
Stadtteils sind nicht nur durch stellvertretende Objekte präsent. Schon das | |
Quengeln eines Kindes während der Intervention von Elisa Duca erscheint als | |
Teil des Konzeptes. Noch deutlicher aber wird die Nähe, die die Künstler zu | |
den Bewohnern dieser besonderen Umgebung gesucht und offensichtlich | |
gefunden haben, als nach und nach einige größere Kinder ankommen. Denn | |
begleitet wird „Processing : Moabit“ auch von einem Auftritt des | |
Mädchenchors „Levetzow-Girls“ am 25. Mai, einem Chor geflüchteter Mädchen | |
aus Afghanistan, Syrien und dem Irak. | |
Auch das 2016 durch Warteschlangen aus tausenden Geflüchteten | |
berühmt-berüchtigt gewordene Berliner LaGeSo, das Landesamt für Gesundheit | |
und Soziales, liegt in Moabit. Schon während der Performance von Elisa Duca | |
am 11. Mai kommen die Kinder zur für den Tag angesetzten Chorprobe. | |
Herzlich begrüßen sie Robin Detje – der strahlt! Und man kann | |
nachvollziehen, warum er diesem oft verschmähten Teil Berlins so große | |
Sympathie entgegenbringt. | |
Bis 1. Juni in der Galerie Nord, Turmstraße 85, Di.–Sa. 13–19 Uhr. Mi. 22. | |
5., 18 Uhr, Performative Intervention mit Elisa Duca und Robin Detje. Sa. | |
18. 5., 16 Uhr, Künstlergespräch mit Isabelle Meiffert | |
14 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Jan Bykowski | |
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