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# taz.de -- Crosslauf-WM auf dem Museumsdach: Über der Moorleiche
> Die Crosslauf-WM in Aarhus wurde als modernes Event organisiert. Der
> Parcours ging über Heuballen, Pfützen, Matschpassagen und ein Dach.
Bild: K. o. im Ziel: Burundi's Francine Niyomukunzi
Von einem „Versöhnungstag“ schreibt der [1][Onlinedienst Africa Tembelea].
Versöhnt hatte sich Joshua Cheptegei mit sich selbst. Der Mann aus Uganda,
von dem einmal das Geburtsjahr 1996, ein andermal 1992 kolportiert wird,
hat an diesem Wochenende endlich erreicht, wofür er sein ganzes bisheriges
Leben trainierte: Crosslauf-Weltmeister im Einzel und im Team.
Im dänische Aarhus hatte sich die Crosslauf-Weltspitze versammelt, wo die
Veranstalter nicht nur auf platter Wiese mit allerlei Heuballen,
Riesenpfützen und Matschpassagen, sondern sogar auf einem Museumsdach einen
halbwegs anspruchsvollen Parcours über 10,24 Kilometer drapiert hatten.
Gerade das schräge Dach stellte eine der schwierigsten Passagen dar.
Im Moesgaard-Museum liegt die Moorleiche des Grauballemannes, der sich,
wenn er noch etwas merkte, über das Getrampel auf dem grasbewachsenen Dach
gefreut haben dürfte. Endlich mal keine Tartanbahn, sondern Laufbedingungen
fast wie im dritten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung!
Cheptegei siegte nach 31:40 Minuten vor Jacob Kiplimo (auch Uganda) und
Geoffrey Kamworor (Kenia). Und die „Versöhnung“ bestand darin, dass er,
anders als vor zwei Jahren bei der WM im ugandischen Kampala, sich das
Rennen gut eingeteilt hatte, nämlich diesmal Titelverteidiger Geoffrey
Kamworor im richtigen Moment quasi stehen ließ. Damals hatte ein taktisch
völlig falsch aufgestellter Cheptegei einen 60-Meter-Vorsprung verspielt
und war nur 30. geworden.
In einem durchaus statistisch ausdrückbaren Sinne sporthistorisch ging es
beim Frauenrennen in Aarhus zu: Hellen Obiri aus Kenia ist nämlich die
erste Leichtathletin, die in Indoor, Outdoor und im Cross den WM-Titel
holte: 2012 Hallenweltmeisterin über 3.000 Meter, 2017
5.000-Meter-Weltmeisterin im Stadion, und nun das Gold auf dem Museumsdach.
## In der Tradition mittelalterlicher Berufsläufer
Die WM in Aarhus, die Erfolge von Obiri und Cheptegei und nicht zuletzt die
Idee, das Museumsdach zu nutzen, könnten dazu beitragen, dass der
traditionsreiche Crosslauf sich wieder neben der Stadionleichtathletik
etablieren könnte. Während die nämlich nach den fetten Jahren der großen
Abendfeste stagniert, kann ein Sport, der eindrucksvolle Fernsehbilder mit
Naturhintergrund liefert, derzeit punkten. Das machen die Wasserspringer
vor, die sich andere Lokalitäten als das örtliche Freibad suchen, und das
haben in der Leichtathletik die Stadtmarathons bewiesen.
Crosslauf ist ja auch die älteste Form des Rennens unter
Wettkampfbedingungen, und er steht auch in der Tradition der
mittelalterlichen Berufsläufer, die Depeschen und Waren von einem Ort zum
anderen transportierten. Dokumentiert sind die ersten
Crosslauf-Meisterschaften im Jahr 1867, bis 1924 gehörte es auch zum
olympischen Programm, mit der finnischen Lauflegende Paavo Nurmi als
Doppelolympiasieger. Und dass man das, was früher Querfeldein hieß, auch im
Stadion betreiben kann, wenn man nur genügend Hindernisse aufbaut, dürfte
der massenmedialen Verwertbarkeit auch entgegenkommen.
An sportlicher Qualität mangelte es jedenfalls nicht, die Crosslauf-WM ist
schon lange kein lästiger Zusatztermin für die Weltspitze mehr, wo sich
noch irgendein Titel holen lässt. Der Auftritt von Hellen Obiri beweist
das. Und dass die sich ein spannendes Duell mit der letztlich
zweitplatzierten Äthiopierin Dera Dida lieferte, ist der zweite Beweis für
diese These.
Aus Deutschland war nur die deutsche Meisterin Elena Burkard am Start. Mit
Platz 23 von 118 Teilnehmerinnen war sie immerhin viertbeste Europäerin.
Dass der Langstreckenlauf, auch wenn er über dänische Heuballen und
Museumsdächer führt, weiter eine afrikanische Domäne bleibt, hat auch in
Aarhus niemand irritiert.
31 Mar 2019
## LINKS
[1] https://www.africatembelea.com/ugandas-cheptegei-clinches-gold-at-2019-iaaf…
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Dänemark
Aarhus
Crosslauf
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