# taz.de -- Afrika anders sehen | |
> Wie wir mit unserer Vorstellung vom afrikanischen Kontinent den | |
> Neokolonialismus aufrechterhalten, erklärt Sara Dehkordi im Gespräch und | |
> auf dem taz lab | |
Interview Cindy Adjei | |
taz am wochenende: Frau Dehkordi, Sie haben sich auf das Thema | |
Postkolonialismus spezialisiert. Wieso? | |
Sara Dehkordi: Als Masterstudentin war ich total vom | |
„Rainbow-Nation-Diskurs“ in Südafrika eingenommen: Die heroische | |
ANC-Partei, Nelson Mandela, die Verhandlungen und was dabei herausgekommen | |
ist. Als ich dann zum ersten Mal in Südafrika war, merkte ich, dass die | |
Mehrheit der Bevölkerung wirtschaftlich und sozial gar nichts von diesen | |
Verhandlungen hatte, und begann den ganzen Diskurs und unsere | |
eurozentrische Sicht auf den Kontinent Afrika in Frage zu stellen. | |
Sind die Ungerechtigkeiten, die Sie in Südafrika bemerkt haben, | |
Nachwirkungen des Kolonialismus? | |
Ja, in den Städten Südafrikas zum Beispiel sieht man, dass die Gesellschaft | |
sehr von der Ober- und Mittelschicht regiert wird, die doch überwiegend | |
weiß ist. Diese Schichten bewegen sich in einer Parallelwelt. | |
Wie äußert sich das? | |
Man wohnt in Gated Neighbourhoods und fährt ausschließlich mit Autos, deren | |
Fenster und Türen verschlossen bleiben. Den Armen – auch ein | |
problematischer Begriff, da sie ja die Mehrheit der Bevölkerung in | |
afrikanischen Ländern stellen – wird durch diese Strukturen der Zugang zu | |
einem besseren Leben, verwehrt. | |
Sind Sie auch der Meinung, dass man Afrika anders als mit Entwicklungshilfe | |
unterstützen müsste? | |
An der Humboldt-Universität gibt es ein Programm für Entwicklungshilfe. Die | |
Intention dahinter ist eine gute Sache, aber letztendlich wird der | |
neokolonialistische Gedanke, dass Afrika europäische Hilfe braucht, an die | |
nächste Generation weitergegeben. Und das ist ein riesiges Problem. Die | |
deutsche Regierung erwähnt gerne, dass sie in der EU der zweitgrößte Geber | |
in der afrikanische Entwicklungshilfe ist. Aber warum sprechen wir kaum | |
darüber, dass große Mengen an Naturressourcen aus afrikanischen Ländern | |
entnommen werden, mit denen man Profit in Millionenhöhe macht? | |
Sie sagen, dass unsere kolonialistische Sprache eine große Rolle dabei | |
spielt, wie wir Afrika sehen. Wie das? | |
Der ganze Diskurs über Afrika obliegt einer Sichtweise der europäischen | |
Überlegenheit gegenüber dem afrikanischen Kontinent: Als Erstes ist | |
natürlich die Homogenisierung von Afrika als eine Einheit | |
hochproblematisch. Der größte Teil der Friedens-und Konfliktforschung wird | |
in dieser Sprache geführt, da kann man sich nur die Haare raufen. Davon | |
sind natürlich auch Politiker betroffen. Aussagen wie vom | |
Afrikabeauftragten der Bundesregierung Günter Nooke, „der Kolonialismus | |
hätte Afrika weniger geschadet als der kalte Krieg“, sind Teil eines | |
rassistischen, kolonialistischen Diskurses, den man nicht einfach so | |
beiseite schieben kann. | |
Was kann man dagegen tun? | |
Man muss an den Universitäten kritische Standpunkte entwickeln. Die | |
Relation der EU zu afrikanischen Ländern muss hinterfragt werden. | |
Student*innen müssen angeregt werden anders zu denken, neu zu denken. Das | |
ist die Arbeit, die wir in Deutschland als kritische Menschen, die dieses | |
System ablehnen, voranbringen müssen. | |
Auf dem taz lab diskutiert Sara Dehkordi mit Günter Nooke, Stephen Smith | |
und Irène Kissasse: Lesesaal, 11.30 Uhr | |
9 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Cindy Adjei | |
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