| # taz.de -- der rote faden: Nichts als dicker, aber substanzloser Rauch | |
| Bild: Foto: privat | |
| Durch die Woche mit Klaus Raab | |
| Also, ich sag’s Ihnen, wie es ist, viel gelernt habe ich diese Woche nicht, | |
| weil ich leider nur ein ganz normaler Journalist bin. Ganz normale | |
| Journalisten schauen alle fünf Minuten auf dem Handy nach, was jetzt wieder | |
| passiert ist, da ist diese Woche aber so gut wie nichts passiert. Außer | |
| Karneval mit einem Auftritt von Annegret Kramp-Karrenbauer natürlich. Der | |
| ist dafür sehr viel passiert. | |
| Andererseits ist das für so eine Kolumne jetzt auch nicht so schlimm, denn | |
| wenn ich doch eines gelernt habe, etwa vom Kollegen Harald Martenstein | |
| (Grüße!), dann, dass eine Kolumne ist, wenn ich bei der Recherche zwar nur | |
| Überschriften auf dem Handy gucke, aber in der Zeitung ein Bild von mir | |
| ist. | |
| Lassen Sie mich ein wenig von mir erzählen. Ich möchte zunächst meinen | |
| Saunabesuch erwähnen, den ich absolviert habe, was es mir nun erleichtert, | |
| die von Kolumnisten erwartete Nabelschau vorzunehmen. Aus der Sauna darf | |
| man als Kolumnist übrigens so viel erzählen, wie man will. Verboten ist es | |
| nur, Taxifahrer zu zitieren. Das sei zu beliebig, heißt es, und vor allem | |
| könne man nicht nachweisen, dass das Gespräch je stattgefunden habe. Dass | |
| man nicht aus der Sauna zitieren soll, habe ich dagegen noch nie gehört. | |
| Also, ich war am Dienstag zwischen 14.06 Uhr und 14.22 Uhr da. Der frühe | |
| Nachmittag ist ideal, weil da in der Breitensportvereinssauna, am | |
| südwestlichen Ende eines beliebten Berliner Parks gelegen, meist nur ein | |
| paar redselige ältere Semester sitzen, die gerade was für die Pumpe gemacht | |
| haben. Wenn man alten weißen Männern begegnen will, ist das der place to | |
| be. Eine alte weiße Frau (no offense) war aber auch da. | |
| Es war ein aufschlussreicher Besuch, denn ich hatte gedacht, der besagte | |
| Karnevalsauftritt von Kramp-Karrenbauer (Sitzpinkler, Toiletten für das | |
| dritte Geschlecht, tädää) sei reines Handythema. Aber nein, die Leute dort | |
| sprachen tatsächlich auch darüber. Zwei Thesen gab es: | |
| „Alltagsdiskriminierung“ sei Mist. Und „die Zeitungen“ seien trotzdem e… | |
| bisschen verrückt, dass sie so ein Theater veranstalten. So auf den Punkt | |
| hatte ich das bei Twitter bis dahin nicht vernommen. Vor allem aber ging es | |
| um einen Nebenaspekt, nämlich warum Kramp-Karrenbauer behauptet habe, in | |
| Berlin würde verstärkt Latte Macchiato getrunken. Alle so: wat? | |
| Um Männer ging es in ihrem Vortrag auch. Vielleicht, meinte die saunierende | |
| Frau, habe es sich also um eine Retourkutsche für das Geschwätz über die | |
| Latte-Macchiato-Mütter vom Prenzlberg gehandelt? Ich, nach meiner | |
| Einschätzung gefragt, bekundete wahrheitsgemäß, ich wisse es auch nicht – | |
| denn in der Sauna war ich nicht in meiner Funktion als wissender Kolumnist | |
| anwesend, sondern wollte wirklich nur meinen Nabel beschauen, der übrigens | |
| ein prächtiges Exemplar ist. | |
| Wie ich nun aber so da saß, das Zentrum der Welt bewunderte und darüber | |
| nachdachte, welche Rauchbomben ich in meiner Kolumne werfen könnte, damit | |
| niemand merkt, dass ich nur über mich schreibe, fiel mir auf, dass ich | |
| nicht mehr viel tun musste. Es waren so viele Rauchbomben gezündet worden, | |
| ich brauchte nur noch die Qualmentwicklung zu beschreiben. | |
| Der Latte Macchiato war doch, genau wie der Diss der Toiletten für das | |
| dritte Geschlecht, die angeblich (wo genau und warum nicht wirklich?) in | |
| Berlin aus dem Boden sprießen, nichts als dicker, aber substanzloser Rauch: | |
| Menschen wird eine Vorliebe für ein importiert klingendes Getränk | |
| angedichtet, um sie als aufgeschäumte Kosmopolitenspinner vorzuführen, die | |
| noch nie was von der ehrenwerten deutschen „Draußen nur Kännchen“-Traditi… | |
| gehört haben. | |
| Ja, dachte ich, darüber würde ich schreiben: dass der | |
| Parteienkonservatismus seine Identität in den Bauchnabeln jener sucht, die | |
| er an die Jagdhundkrawatten verloren hat. Und dass Teile des | |
| politisch-medialen Diskurses geradezu kolumnenartig funktionieren: Durch | |
| die Bedienung eines konstruierten Feindbilds sichert man sich die Zuneigung | |
| der eigenen Bubble, während sich die Gegenseite allzu gerne provozieren | |
| lässt und tagelang auch über nichts anderes mehr redet. Höchstens noch | |
| darüber, was für ein alter Sack der CDU-Mann Philipp Amthor schon mit Mitte | |
| 20 ist. Was aber ja auch nur ein billiger Feindbild-Diss ist und ein | |
| weiteres Indiz dafür, dass der Politische Aschermittwoch, der früher nur | |
| einen Tag lang schlimm war, mittlerweile ganzjährig stattfindet. | |
| Dann ging ich in ein Café in meiner Straße, bestellte mir einen Flat White | |
| und fing an, mir Notizen zu machen. Sollte ich am Ende meiner Kolumne | |
| Donald Trump erwähnen?, fragte ich mich, als ich den New Yorker da liegen | |
| sah, weil Trump ja immer ein sicheres Bingo ist. Doch ich verwarf die Idee, | |
| als mein Blick auf die Getränkekarte fiel. Ich nickte triumphierend und | |
| schrieb: „Wer sagt ihnen, dass es draußen eh keine Kännchen mehr gibt?“ | |
| Nächste WocheAriane Lemme | |
| 9 Mar 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Raab | |
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