# taz.de -- AMERICAN PIEObama und der schwarze VIP | |
Als hätte Barack Obama noch nicht genug zu tun. Nun soll der amerikanische | |
Präsident mal eben zwischen Gesundheitssystemreformieren und Klimaretten, | |
Weltfriedenstiften und Armutabschaffen auch noch einen Boxer | |
rehabilitieren. Bereits Ende Juli verabschiedete das Repräsentantenhaus | |
eine Resolution, nach der Jack Johnson nachträglich freigesprochen werden | |
soll. Der erste afroamerikanische Weltmeister im Schwergewicht war 1913 | |
verurteilt worden – wegen der Beziehung zu einer weißen Frau. Am Montag nun | |
ließ das Weiße Haus verlauten, es sei noch nicht klar, ob Obama ein | |
präsidiales Pardon für den schwarzen Boxer verkünden werde. | |
Johnson war nicht nur von 1908 bis 1915 der Meister aller Klassen, sondern | |
auch der erste schwarze VIP. Dass er im Ring in schöner Regelmäßigkeit alle | |
Gegner demütigte, die von der Öffentlichkeit zuvor als „große weiße | |
Hoffnung“ ausgerufen worden waren, machte ihn ebenso zum Stammgast in den | |
Klatschspalten wie der kaum verhohlene sexuelle Appetit des Champions, den | |
er vor allem mit weißen Frauen zu stillen pflegte. Auch seine drei | |
Ehefrauen waren allesamt weiß. | |
Außerdem war er für sein Mundwerk gefürchtet. In und außerhalb des Rings | |
verhöhnte er seine Gegner und das Publikum. Er lebte auf großen Fuß, liebte | |
schnelle Autos, gute Anzüge und den Luxus. Johnson demonstrierte ein | |
Selbstvertrauen, das sich Afroamerikaner zu dieser Zeit nur unter akuter | |
Lebensgefahr leisten konnten, und wurde so zu einem frühen Hoffnungsträger | |
für alle diskriminierten Schwarzen und später zum großen Vorbild von | |
Muhammad Ali. | |
Das alles erzürnte, kaum überraschend, die weiße Bevölkerungsmehrheit. | |
Spätestens als Johnson 1910 den extra aus dem Ruhestand zurückgekehrten, | |
bis dahin ungeschlagenen Exchampion Jim Jeffries 15 Runden lang gedemütigt | |
hatte, stand er auf der Abschussliste. Bei den anschließenden schwarzen | |
Siegesfeiern kam es zu Zusammenstößen mit Rassisten, bei denen mindestens | |
25 Menschen ums Leben kamen, nur zwei davon Weiße. Weitere Lynchmorde | |
musste die Polizei verhindern. | |
1912 schließlich glaubte die weiße Justiz, genug gegen Johnson in der Hand | |
zu haben, um ihn verurteilen zu können. Er wurde angeklagt, „eine Frau zu | |
unmoralischen Zwecken über Staatsgrenzen transportiert zu haben“. Die | |
Anklage brach zusammen, als jene Frau, die Prostituierte Lucille Cameron, | |
nicht gegen ihn aussagen wollte, weil sie Johnson kurz darauf heiratete. | |
Ein Jahr später wurde er dann aufgrund der Aussagen einer weiteren | |
Prostituierten von ausschließlich weißen Geschworenen doch noch verurteilt. | |
Einer der Staatsanwälte gab später zu, dass Johnson „das Pech hatte, das | |
herausragende Beispiel zu sein für eine Normalität von Hochzeiten zwischen | |
Weiß und Schwarz“. | |
Johnson floh nach Europa und boxte bis 1920 nur noch im Ausland. Dann | |
kehrte er in seine Heimat zurück, stellte sich den Behörden und ging für | |
zehn Monate ins Gefängnis. Auch nach seiner Entlassung boxte er weiter. | |
Seinen letzten Kampf verlor er im biblischen Alter von 60 Jahren nach | |
sieben Runden durch technischen K. o. Nur acht Jahre später brachte ihn | |
seine zweite Leidenschaft nach den Frauen um: Wütend, weil er in einem | |
Restaurant nicht bedient worden war, baute Johnson einen Autounfall in | |
North Carolina. | |
Treibende Kraft hinter den Bemühungen, Johnson zu rehabilitieren, ist John | |
McCain. Der Senator von Arizona lässt keine Gelegenheit aus, Obama, seinen | |
ehemaligen Widersacher im Kampf um das Präsidentenamt, an den Boxer zu | |
erinnern. „Der Fall Jack Johnson ist ein Schandfleck auf der Geschichte | |
unserer Nation“, sagte der Republikaner, „es wird Zeit, diese | |
Ungerechtigkeit zu korrigieren. Aber der Präsident ist momentan wohl sehr, | |
sehr beschäftigt.“ THOMAS WINKLER | |
21 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
THOMAS WINKLER | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |