# taz.de -- Schwein und Wurst | |
> Die letzte „Villa Massimo Nacht“ im Martin-Gropius-Bau | |
Von Zora Schiffer | |
Radikale Verkürzung“ nennt es der Villa Massimo-Direktor Joachim Blüher, | |
wenn er auf einer dieser seit 2007 alljährlich stattfindenden Kultursoirées | |
in drei Stunden Kunst zeigt, die eine ganze Saison füllen könnte. Auch im | |
Hinblick auf die Beschreibung seines Konzepts von Kunstförderung trifft | |
dies zu: Keine finanziellen Hindernisse und den Italienern zeigen, dass | |
auch Deutschland Fantasie hat. Von den Ausdrücken „In den Dialog treten“ | |
und „Austausch“ hält er fast so wenig wie vom Mythos des armen Poeten. Es | |
gehe immer um Konkurrenz und darum, etwas zu zeigen. Dieses Jahr geht | |
Blüher in Rente, und in seiner Abschiedsrede resümiert er seine Arbeit: | |
„Ich habe 17 Jahre lang Deutschland gespielt.“ | |
Man könnte meinen, er sei 1860 geboren, wenn er seine Ankunft 2002 in der | |
quasi brachliegenden Villa schildert. Sie (die Preußen?) nagelten ihr | |
„hässliches Gesicht an die Tür“, und wer im Lauf der Jahre mit wachsendem | |
Interesse die immer modernere Schwelle übertrat, konnte sich davon | |
überzeugen, dass die Fantasielosigkeit der Deutschen ein Klischee ist, dass | |
auf der Vergangenheit beruht. „Seit den Nazis ist unsere Reputation am | |
Ende.“ Bei den Sommerfesten der Villa Massimo in Rom, die Blüher | |
„Privatpartys mit über 4.000 Gästen“ nennt, konnte er das nationale Erbe | |
retten: Es gab deutsches Schwein, Wurst und sogar Hering. „Ein Sieg für die | |
deutsche Küche.“ | |
Wolfgang Schäuble, Ehrengast des Abends, betonte in seiner Rede ebenfalls, | |
wenn auch subtiler, die Bedeutung des kulturellen Erbes. Wobei er es | |
gnädigerweise von Deutschland auf Europa ausweitete. | |
Wie vor allem in den ausgestellten Werken zu erfahren ist, die bald | |
außerhalb dieses exklusiven Rahmens zu sehen sein werden, findet | |
tatsächlich ein großer Austausch zwischen den StipendiatInnen und der Stadt | |
Rom statt. Ob in Klang, Baukunst, Fotografie oder Rauminstallation: Die | |
Collage verschiedener Sprachen, Stoffe, Farben und Perspektiven ist | |
allgegenwärtig. | |
Das Festhalten an nationalen Traditionen, an einem auf Konkurrenz | |
verkürzten Verständnis von kulturellem Dialog und ein Jahr Dolce Vita | |
reichen offenbar nicht, um die kreativen Kräfte vollkommen einzuschläfern. | |
Im Sommer wird jemand die Nachfolge Blühers antreten und entscheiden, ob | |
die Tradition der jährlichen Schau in Berlin in dieser Form eines | |
dekadenten, aber der Öffentlichkeit kostenlos zugänglichen Gesamtkunstwerks | |
bestehen bleibt. Vielleicht eine Frau? Aber sicher keine von ausländischer | |
„Herkunft“, wo wir doch schon so weit gekommen sind in der Wiedereroberung | |
der deutschen Kultur in Rom. | |
23 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Zora Schiffer | |
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