# taz.de -- „Wir stehen uns selbst im Weg“ | |
> Vor den Langlauf-Wettbewerben der Nordischen Ski-WM führt der deutsche | |
> Trainer Peter Schlickenrieder die fehlenden Erfolge auf mangelhafte | |
> Kommunikation zurück und erklärt, warum Medaillenvorgaben Doping fördern | |
Bild: Freund des miteinander Redens: Schlickenrieder beim lockeren Gespräch mi… | |
Interview Anne Armbrecht | |
taz: Herr Schlickenrieder, Sandra Ringwald hat am vergangenen Wochenende im | |
Sprint den ersten Podestplatz für die deutschen Langläufer seit über vier | |
Jahren geholt. Was sagt das für die Weltmeisterschaft in Seefeld über die | |
Form Ihres Teams? | |
Peter Schlickenrieder: Der zweite Platz spricht für Sandras Courage und ihr | |
Selbstbewusstsein. Aber das hatte sie schon immer. Für die WM heißt das | |
erst mal nichts, weil die Weltspitze gefehlt hat. Aber ich bin froh, dass | |
wir einmal alles umgesetzt haben, was wir uns vorgenommen haben. Wir haben | |
das Rennen von vorn gestaltet und bis zum Ende durchgezogen. | |
Sie haben Ihr Amt als Cheftrainer vor knapp einem Jahr angetreten. Geht es | |
jetzt unter Ihnen mit dem deutschen Langlauf wieder aufwärts? | |
Man darf sich als Trainer auch immer nicht zu viel auf sich einbilden. Die | |
Veranlagung war auch vorher da. | |
Was dürfen Sie sich denn einbilden? | |
Wir haben sehr viel analysiert in den letzten Monaten, sind enger | |
zusammengerückt. | |
Langlauf hat in Deutschland schon lange keine Erfolge mehr. Woran liegt es? | |
Am mangelnden Nachwuchs oder an den überstarken Skandinaviern? | |
Wir stehen uns selbst im Weg. Es scheitert nicht am Geld oder an der | |
Konkurrenz oder am Mangel von Talenten. Talente und Trainer sind da. Aber | |
manchmal greifen die Räder nicht so ineinander, wie sie es müssen. | |
Was meinen Sie damit? | |
Dass wir als Eltern, Trainer, Verbände noch viel mehr miteinander reden | |
müssen. Wir können nur gemeinsam etwas ändern. Es ist ein Prozess. | |
Vor ein paar Wochen hat das öffentliche Dopinggeständnis des ehemaligen | |
österreichischen Langlauftalents Johannes Dürr für großes Aufsehen gesorgt. | |
Ist das bei Ihnen im Team diskutiert worden? | |
Es wäre ja Irrsinn, wenn wir es nicht diskutiert hätten. | |
Worüber haben Sie gesprochen? | |
Die Causa Dürr, wenn man sie denn so nennen will, hat eine Wertediskussion | |
losgetreten. Wir müssen uns fragen, ob wir im Kampf gegen Doping vielleicht | |
nicht genug tun bisher. | |
Beziehen Sie das auch auf Deutschland? | |
Ich meine das eher generell gesprochen. | |
Hat der Fall dennoch für Ihr Team Konsequenzen? | |
Wir werden künftig noch mehr Gespräche mit unseren Sportlern führen. | |
Aufklärung ist das Wichtigste. Gespräche zu führen, in denen wir vielleicht | |
auch feststellen, da hat jemand eine charakterliche Schwäche, da ist | |
vielleicht jemand anfällig. | |
Das heißt? | |
Doping ist eine Charakterfrage. Man muss sich doch fragen: Heiligt der | |
Erfolg wirklich alle Mittel? Und da wehre ich mich dagegen. Deshalb halte | |
ich auch nichts von Medaillenvorgaben und solchen Dingen. Das nötigt ja | |
geradezu zur Grenzüberschreitung. Ich finde, da müssen wir unsere Sportler | |
auch vor sich selbst schützen. | |
Ist dieses Eingeständnis besonders schwierig, weil man in den letzten | |
Jahren nur auf die Russen gezeigt hat? | |
Das würde ich nicht unterschreiben. | |
Stehen Langläufer jetzt unter Generalverdacht? | |
Es wurde in der Berichterstattung der Eindruck erweckt, dass bei uns alle | |
dopen. Ich glaube aber nicht, dass das der Fall ist. | |
Wieso nicht? | |
Dürr war nie Weltspitze. Er versucht sich zu rechtfertigen: Schuld sind die | |
anderen. Er macht es sich sehr einfach. Was natürlich nicht die Frage an | |
sich nach den Werten in unserem Sport, was zählt, wegdiskutieren lässt. | |
Möchten Sie keinen Erfolg? | |
Doch. Natürlich möchte ich als Trainer Erfolg produzieren. Aber es gibt | |
eine Grenze. | |
Auch die norwegischen Topläufer Therese Johaug und Martin Johnsrud Sundby | |
waren wegen Verstoß gegen Dopingregeln gesperrt. Sie sind bei der WM dabei. | |
Besteht die Gefahr, dass Zuschauer das mit gezielten Dopingvergehen in | |
einen Topf zu schmeißen? | |
Das passiert doch schon. Johannes Dürr hat absichtlich sein Blut | |
manipuliert. Johaug und Sundby haben mutmaßlich aus Versehen eine falsche | |
Sonnencreme oder eine zu hohe Konzentration von Asthmamittel genommen. Das | |
ist ja das Traurige. Als Sportler kannst du keinen Müsliriegel aus dem | |
Supermarkt mehr essen. Weil du nicht weißt, ob nicht doch was Verbotenes | |
drin ist. Aber erkläre dann mal der Öffentlichkeit nach einem positiven | |
Befund: Das hatte nichts mit Betrug oder Leistungssteigerung zu tun. Für | |
Zuschauer, Medien, in der öffentlichen Debatte gibt es nur schwarz und | |
weiß. | |
Fürchten Sie, dass die Berichte Einfluss auf die WM haben werden? | |
Wenn, dann hoffe ich einen positiven. Es birgt auch die Chance, die Werte | |
des Sports wieder mehr als Gewinn in den Fokus zu rücken. Weil Sportler von | |
diesen Werten eben nicht nur in der Karriere zehren, sondern ihr ganzes | |
Leben. | |
Sie lassen sich also nicht auf ein Medaillenziel festlegen? | |
Ich möchte den Erfolg gern am Einzelnen und nicht an einer Zahl festmachen. | |
Ich möchte sehen, dass wir als Team das Beste aus uns herausholen. Ein | |
Top-Acht-Resultat wäre aber wunderbar. | |
22 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Anne Armbrecht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |