# taz.de -- us-präsidentschaft: Die Mauer als Mittel | |
> Donald Trump trägt die Zügel eines Autokraten. Der von ihm geforderte | |
> Grenzwall zu Mexiko ist eine Metapher für sein Staatsverständnis | |
Als Donald Trump noch Hochhäuser baute, wusste er, dass man gute Kontakte | |
zur Mafia braucht. Denn auf jeder Baustelle kontrollierte die Mafia die | |
Verarbeitung des Betons. Trumps Lage als Präsident, der eine Betonmauer an | |
der Südgrenze wünscht, ist dagegen wesentlich unübersichtlicher. | |
Am Ende blieb ihm nur, den Notstand auszurufen, um seine Mauer | |
voranzubringen. Schon vor Wochen schlugen die Harvard-Politologen Steven | |
Levitsky und Daniel Ziblatt Alarm, als der Präsident in einer Rede über die | |
Südgrenze das Wort Krise sechsmal in acht Minuten aussprach. Autokraten und | |
Diktatoren, so Levitsky und Ziblatt, können mit der Demokratie nicht | |
umgehen. Nur im Notstand fühlen sie sich wohl. | |
Vom Temperament her ist Trump ein Verfechter der Einmannherrschaft. Im | |
Weißen Haus hat er seine Despotie weitgehend durchgesetzt. Weil er noch | |
dazu ein hervorragender Verkäufer und Showman ist, trägt Trump die Züge | |
eines schillernden Autokraten wie der legendäre Diktator Mobuto aus Zaire. | |
Trump wie Mobuto treiben Politik als Persönlichkeitskult mit Auftritten in | |
großen Stadien. Wie Mobuto sein Volk mit den antikolonialistischen | |
„[1][Abacosts]“ livrierte, trägt das Trump-Publikum im Stadion von El Paso | |
Make-America-Great-Again-Mützen und Trumpette-T-Shirts. Wie Mobuto, der im | |
Dorf Gbadolite ein „afrikanisches Versailles“ baute, komplett mit | |
Concorde-Landebahn, weil es keine Straßen bis dorthin gab, so hat Trump die | |
Südgrenze als Ort für sein Prestigebauprojekt gewählt. | |
Dies sei erwähnt, um zu zeigen, welch einen gefährlichen Absturz Amerika | |
zurzeit erfährt. Mobuto, der eine Geparden-Mütze und einen geschnitzten | |
Holzstab trug, ernannte alle Staatsbürger schon bei der Geburt zum Mitglied | |
seiner Partei. Aber dennoch musste Mobuto mit der Unterentwicklung und dem | |
Dschungel Zaires kämpfen. In El Paso zeigt nun Trump erste Zeichen der | |
Amtsmüdigkeit, er kämpft mit dem Dickicht der Regulierungen und Gesetze, | |
und schließlich verhängt er den Notstand. | |
Die Mauer ist als Mittel, Einwanderer fernzuhalten, völlig unnötig. Es gibt | |
längst andere Methoden: es gibt die Überwachung per Drohnen an der von den | |
Demokraten favorisierten „Smart Wall“. Es gibt die bei den Republikanern | |
beliebte Politik der radikalen, albtraumhaften Verlangsamung der | |
Einwanderung. Auch wenn die Menschenkarawane angekommen ist, lässt die | |
US-Grenzpolizei sie nur durch sogenanntes „Metering“, zu 30 oder 40 pro | |
Tag, durch. So versuchen zwar die Einwanderer auf legale Weise nach Amerika | |
zu kommen. Diejenigen, die es schaffen, müssen aber lange Haftzeiten und | |
Wartezeiten gewärtigen. Asyl wird zurzeit in etwa 20 Prozent der Fälle | |
anerkannt, die Gerichte in El Paso sind erbarmungslos, mit einer Quote von | |
geschätzt nur 3 Prozent. 800.000 Fälle und mehr sind noch unentschieden: | |
„Knocking on Heaven’s Door“ kann lange dauern. | |
Die Mauer ist eher eine Metapher für eine Staatsauffassung, die | |
Trump-Wähler favorisieren, in der ein verloren geglaubter Staat für die | |
traditionelle Mehrheit wieder zurückerobert wird. Nun, da Trump schwächelt, | |
gibt es längst eine Gruppe um Steve Bannon und Blackwater-Gründer Erik | |
Prince, die die Mauer mit Privatgeldern bauen wollen. So kam Trump nach El | |
Paso wie ein Mann, der das Geschenk für seine langjährige Mätresse doch | |
nicht dabeihatte. Er stand im Stadion mit leeren Händen. | |
So ist die Lichtgestalt Trump in dem von ihm selbst so oft beschriebenen | |
dunklen Amerika angekommen. Demokraten lieben die rhetorischen Mittel des | |
Traumes: gerne reden sie über den Großvater, der nach Amerika mit nichts in | |
den Taschen ankam und dann den Traum sicherte. Die Republikaner sehen das | |
anders: ihre Vorfahren sind vielleicht seit 300 Jahren in Amerika, und ihr | |
Leben bleibt hart. Wälder roden, Industriedämmerung und so weiter. Solche | |
Wähler lieben Trump, eben weil er sich so ausgiebig über die finstere Seite | |
auslässt. Zuvor tabuisierte Themen wie Gewalt im Ghetto oder die | |
Drogenepidemie auf dem Lande kommen bestens an. | |
Als Stammtischfürst liebt Trump folgende Bemerkung besonders: es geht | |
darum, wie wenig die Globalisierung für jedermann gebracht hat. Nachdem der | |
Skandal um die Bleiverseuchung des Trinkwassers in Flint, Michigan, publik | |
wurde, sagte Trump, dass es früher so war, dass man Autos in Flint | |
herstellte und dass man das Wasser in Mexiko nicht trinken konnte. Heute | |
sei es umgekehrt; seine Mauer wäre der erste Schritt, diese Globalisierung | |
umzukehren. | |
Als Trump anfing, diesen Witz zu erzählen, war es oft in Verbindung mit | |
einem anderen Statement, nämlich dass manche nun auf die Idee kommen, in | |
dieser Lage eine große Umverteilung vorzuschlagen. Doch das lehnt der | |
Bauherr aus Manhattan ab. Es war immer sein erklärter Weg, die Umverteilung | |
nach unten zu verlagern, dass die Mexikaner den Amerikanern wieder ihren | |
natürlichen Vorrang zurückgeben. | |
In der Welt der New Yorker Immobilien glauben nur Narren an Träume. | |
Vielleicht verkaufen die Magnaten Träume, aber sie glauben nicht selber | |
daran. Jetzt wird Trump hoffen, dass seine Schwarzmalerei vielleicht doch | |
die Massen Zentralamerikas abhalten wird. Katholische Priester in Mexiko | |
ermutigen längst die Mitglieder der Flüchtlingskarawane, in den Zeiten des | |
linksliberalen Präsidenten Obrador doch eher einen mexikanischen Traum | |
auszuprobieren. Bis die Mauer gebaut wird, wird Trump wohl weiter ab und an | |
Grenzstädte wie El Paso für eine Woche dicht machen. Das ist schlecht für | |
viele Menschen, die es gewohnt sind, sich frei hin und her zu bewegen; | |
besonders auch für die US-Bürger, die täglich nach Mexiko auf der Suche | |
nach erschwinglicher medizinischer Versorgung pilgern. Das ist dann der | |
kleine mexikanische Traum des US-Bürgers. Es ist nun vieles nicht mehr, wie | |
es war, für keinen. | |
22 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Abacost | |
## AUTOREN | |
Anjana Shrivastava | |
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