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# taz.de -- Paarkritik und Kapitalismuskritik
> Damals, als wir alle noch geraucht haben: Familientreffen am Montagabend
> mit Britta in der Volksbühne
Von Kristof Schreuf
Als Erstes ist am Montagabend schwerfüßiger Grungerock in der Volksbühne zu
hören: Gitarrist Rick McPhail, den man von Tocotronic kennt, eröffnet das
Vorprogramm für die Band Britta. Eine seiner charmantesten Ansagen für ein
Lied lautet: „Es geht um Liebe. Vielleicht habt ihr von ihr gehört.“
Worum es geht, beschreibt auch die nach McPhail auftretende Keyboarderin
und Sängerin Barbara Morgenstern. Ihr Verhältnis zu Britta sei in etwa wie
eine Langzeitbeziehung, die sich über die Jahre zu einer ziemlich offenen
Ehe entwickelt habe, sagt sie. Als sie sinniert, wie lange es her sei, dass
Britta und sie das erste Mal zusammen auftraten, findet Morgenstern ein
eindrückliches Bild dafür: „Das war damals, als wir noch alle geraucht
haben.“
Christiane Rösinger wiederum hat der Zeit, nachdem eine Liebe vorüber ist,
einen gehörigen Teil ihres Werkes gewidmet. Während des Auftritts von
Britta kündigt sie folgerichtig an, „abwechselnd ein paarkritisches und ein
kapitalismuskritisches Lied“ zu spielen. „Die traurigsten Menschen von ganz
Berlin“ klingt an diesem Abend, als handelte es sich bei Britta tatsächlich
um eine Reinkarnation der amerikanischen Doors; es klingt, als steigerten
sich jene in ein Crescendo. Und als Christiane Rösinger bei „Ich bin zwei
Öltanks“ mit notorischen Zeilen aus der Werbung klarmacht, dass das Herz
vielleicht ein Jäger ist, aber ganz bestimmt nicht einsam bleiben will –
das ist schon ein besonderer Moment.
Sebastian Vogel bedient seine Trommeln derweil mit so viel Könnerschaft,
als würde er in einer intensiven Fusion-Rockband spielen. Barbara Wagner
kann mit ihrer Gitarre jedes Stück interessanter machen, ebenso wie
Bassistin Juli Miess mit den psychedelischen Schleifen, die sie auf ihrem
Instrument zieht.
Rösinger schafft es dabei, aus den alltäglichsten Verrichtungen von
Musiker_innen etwas herauszukitzeln. Als die Band bei der vierten oder
fünften Zugabe wieder vom Backstagebereich auf die Bühne zurückkehrt, dreht
Barbara Wagner erst noch mal an den Wirbeln ihrer Gitarre, damit diese
richtig klingt. Damit liefert sie Rösinger eine Steilvorlage: „Nur, weil
man einmal aus der Tür geht, muss man beim Reinkommen doch nicht gleich
wieder stimmen“, kommentiert sie – und hat die Lacher auf ihrer Seite.
Doch nicht nur Rösingers Einwürfe zwischen den Liedern, auch ihre Songtexte
sind fast so treffend wie die famosen Gedichte von Mascha Kaléko. Dass das
mittlerweile eine Menge Menschen ähnlich sehen, hat sich im vergangenen
Herbst gezeigt, als Britta auf Tour gingen. Die bestand zur Überraschung
der Band und ohne Übertreibung aus einer einzigen, langen Reihe triumphaler
Konzerte. 20 Jahre nach ihrer Gründung sind Britta einfach so was von da.
Wenn sie ein paar weitere Songs schrieben und aufnähmen, entstünde mit
ziemlicher Sicherheit ein Album, das auch das Publikum außerhalb Berlins
interessiert.
Doch als die Bandmitglieder diesen Vorschlag nach dem Auftritt an der Bar
von einem Konzertbesucher unterbreitet bekommen, werden ihre Blicke etwas
unruhig. Sebastian Vogel muss auf einmal ganz dringend dem DJ etwas
mitteilen. Christiane Rösinger rollt die Augen, dreht sich auf dem Absatz
um und gibt singend die Antwort, indem sie ein Lied aus ihrem Solo-Schaffen
zitiert: „Sinnlos, sinnlos, so sinnlos.“
Ein neues Album scheint für Britta im Moment leider kein Thema zu sein. Was
nicht zuletzt auch mit Rösingers Terminplan zu tun hat. Denn im Herbst will
sie ein Theaterstück zum Thema Gentrifizierung auf die Bühne bringen.
Rösinger schreibt dafür sowohl das Skript als auch die Songs. Irgendwas ist
immer.
21 Feb 2019
## AUTOREN
Kristof Schreuf
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