| # taz.de -- Nachruf auf Rosamunde Pilcher: Die uns herrlichen Edelkitsch schenk… | |
| > Das, was Rosamunde Pilcher fabrizierte, war niemals fortschrittlich. Doch | |
| > das Genre des Kitsches beherrschte sie perfekt. | |
| Bild: Ließ stets die „gute alte Zeit“ wiederauferstehen: Rosamunde Pilcher | |
| Seit Jahrzehnten hat sie auch der deutschsprachigen Welt Stoff zum Träumen | |
| aufgeschrieben, sie hat in Hülle und Fülle Geschichten verfasst, die ihre | |
| vornehmlich, aber nicht ausschließlich weibliche Leser*innenschaft so | |
| verschlang wie delikate, allzu süße Pralinen: Rosamunde Pilcher ist nun | |
| tot, sie verstarb in ihrem schottischen Haus im Alter von 94 Jahren an den | |
| Folgen eines jüngst erlittenen Schlaganfalls. Diese Nachricht kann ihr | |
| Publikum nicht schockieren, dafür war die besonders in Deutschland sehr | |
| populäre Literatin zu alt – aber traurig stimmt es schon. | |
| Ohne Pilcher, 1924 in Lelant, Cornwall, geboren, hätte das ZDF, das im | |
| vergangenen Vierteljahrhundert den Stoff, aus dem vieler Menschen Träume | |
| sind, als Sender schon abdanken müssen – ohne die Geschichten der Tochter | |
| eines Marineoffiziers wüssten realitätsnah analysierende Soziolog*innen und | |
| Kulturwissenschaftler*innen nicht, wie archaisch die Fantasien von | |
| Millionen noch gesponnen werden. | |
| Pilcher, 1989 durch den Millionenseller „Die Muschelsucher“ sehr | |
| einkömmlich geworden, hat in ihren Herz- und Schmerzbüchern jene Welt | |
| geschildert, von der sie glaubte, dass sie die gute, alte, das heißt | |
| intakte Zeit wiederauferstehen lassen. Eine Welt der Liebe, der | |
| Eifersucht, der verzehrenden Gefühle und der missgünstigen Umstände. | |
| Pilcher wuchs in einem Großbritannien des Empire auf, Indien war noch eine | |
| Kolonie und das heutige Myanmar und damalige Burma auch nur ein | |
| außereuropäisches Dominion Seiner Majestät. Dunkelhäutige Menschen waren in | |
| der Welt, in der sie aufwuchs, allenfalls Personal, ergebenes meist. Ihre | |
| Romane, die in ihrer Komplexität freilich nicht zu unterschätzen sind, | |
| bedienten die Wünsche nach gendertraditionellem Alltag, nach Sehnsüchten im | |
| milden Klima englischer Küsten, besonders jener in Cornwall mit seinen | |
| Cottages, Mooren, Herrenhäusern und freundlichen Menschen, Handwerkern und | |
| Dienstboten. | |
| Alle Pilcher-Romane bergen Tragödisches – und, extrem wichtig und | |
| konsument*innengerecht, ein Happy End. Möglich, dass Rosamunde Scott, so | |
| ihr Geburtsname, ihre Bücher mit dem Vorsatz zum Erfolg verfasste, dass | |
| sie, mehr noch, wollte, dass Frauen sich in ihnen erkannten. Sicher ist, | |
| dass auch das Genre des Kitsches, das diese Britin bediente, nur mit Können | |
| erledigt werden kann: Und Pilcher konnte. Sie, die die ersten | |
| Schreibversuche in der heimischen Küche unternahm, diskret, weil sie sich | |
| nicht blamieren wollte, hatte jedenfalls den Ton der schönen Träume perfekt | |
| drauf – es waren womöglich ihre eigenen. | |
| Rosamunde Pilcher hat viele Preise gewonnen, in Deutschland etwa den vom | |
| Medienkonzern ausgelobten „Bambi“ 1997. Dem ZDF muss nicht bange sein: | |
| Pilcher hat viele Töchter in ihrer Zunft hervorgebracht, Inga Lindström | |
| beispielsweise. Das, was diese Britin fabrizierte, war niemals | |
| fortschrittlich, immer reaktionär – aber das sah im Fernsehen, das las sich | |
| in ihren Büchern ausgesprochen flüssig und schlüssig. | |
| 7 Feb 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
| ## TAGS | |
| Rosamunde Pilcher | |
| Kitsch | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| TV-Moderator Thadeusz über Reich-Ranickis TV-Kritik: Wer ist Schuld an Rosamun… | |
| Fernsehpreis-Amokläufer Reich-Ranicki findet alles in der Glotze doof. Aber | |
| was kann das Fernsehen dafür, dass die Leute Mario Barth sehen wollen? Sie | |
| lesen doch auch Pilcher! Ein Brief von Jörg Thadeusz. |