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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Welt zu Gast bei Freunden
> Zum Frühstück bei einer Selfmade-Frau. Die Milliardärin Maria-Elisabeth
> Schaeffler weiß Lakaien zu schätzen.
Bild: Hat ihr Vermögen in der Automobilindustrie gemacht: Maria-Elisabeth Scha…
Maria-Elisabeth Schaeffler seufzte. Schwer und beinahe warm schoss ihr der
Atem durch die Nase, und sie fühlte die Genugtuung so heftig durch die
Adern rauschen wie einen Sturzbach, der ein Gebirgsdorf voller fröhlicher
Kinder unter sich begräbt. Sie, Maria-Elisabeth Schaeffler, frohlockte, ja
jubilierte, und hätte sie gewusst, wie das geht, sie hätte gelächelt; und
nicht allein, weil sie es jetzt endlich einmal schwarz auf weiß hatte, wozu
dieses idiotische Welt-Abonnement überhaupt gut war. Falls nicht
ausschließlich dazu, dass dieser Laufbursche Poschardt seinen
Chefredakteurs-Porsche betanken konnte.
„Die Deutschen haben ein Problem mit ihren Reichen“ – die Schlagzeile aus
der Welt war natürlich schon mal sehr gut, wenn auch nicht originell, der
übliche zusammengelogene Quatsch wg. Neidgesellschaft und dass die Amis
ihre Reichen verehren, während der Pöbel in Missgunst-Deutschland ihnen
Kratzer in den Lack vom Gelände-Ferrari macht. Aber hier, die
Bildunterschrift zum Artikel im Wirtschaftsressort, unter dem Foto von ihr,
die rückte endlich einmal was gerade, die setzte was ins Recht, und zwar
sie, Maria-Elisabeth Schaeffler, Milliardenerbin, knallhärteste
Geschäftsfrau ever und Matriarchin der weltberühmten Schaeffler-Werke:
„Maria-Elisabeth Schaeffler gilt als eine der reichsten Deutschen. Das
Vermögen haben sie und ihre Familie in der Automobilindustrie gemacht.“
Genau. So war es. Sie und ihre Familie hatten dieses Vermögen gemacht, sie
ganz allein! Hatten höchstpersönlich jeden einzelnen Pfennig (später: Cent)
zusammengebuckelt, morgens Muckefuck in die Thermoskanne gefüllt, abends
die endlosen Weiten der Produktionshallen gefegt und dazwischen Schrauben
sortiert, die Stanze herabsausen und die Drehmaschine ihre ungezählten
Runden drehen lassen; waren jahrzehntelang früh um vier aus den Federn
gesprungen, um Präzisionskomponenten und -systeme für Motor, Getriebe und
Fahrwerk aus dem Vollen zu Fräsen; hatten am Band erst Millionen und dann
Milliarden verdient und waren nach des Tages Plagen mit müden Beinen und
schmerzenden Knochen in die Strohbetten gefallen, denn ein Menschenleben,
es dauert siebzig oder achtzig Jahre, und wenn es gut war, dann ist es Mühe
gewesen, so wahr ihr, Marie-Elisabeth Schaeffler, der beste Gott von allen
helfe!
## Katzenkaffee und Kaviarbrötchen
Wie abwesend klingelte sie nach dem Mädchen, das ihr Katzenkaffee
nachschenken, noch ein Kaviarbrötchen schmieren und die Zeitung umblättern
sollte, und sie versuchte sich zu erinnern, wie das neue hieß, das alte
hatte sie turnusmäßig nach 48 Stunden gefeuert; das Pack wurde bequem, wenn
es glaubte, im gemachten, unangefochtenen Bett zu liegen, es wurde
unaufmerksam, träge, und Trägheit hasste sie fast noch ärger als das Wort
„Betriebsrat“.
Wo wäre sie denn heute, wäre sie auf der Bärenhaut liegengeblieben, als
sich damals, es musste an der Stechuhr gewesen sein, dieser attraktive
Stecher ihr genähert hatte, um die Erkundigung einzuholen, ob sie, nachdem
sie beide sich den Schmutz aus den abgebrochenen Fingernägeln entfernt
hätten, vielleicht auf ein kleines Bier in seine Privatbar mitkäme? Dieser
Mann, der wusste, worauf es im Leben ankam: hart arbeiten, nicht ewig in
der Kantine hocken und die Milliarden, wie sie kamen, zusammenhalten? Ja,
wo denn? Hatte man ihr, Maria-Elisabeth der Allerersten von
Schaeffel-Country, im Leben je etwas geschenkt? Außer Schmuck, teuren
Reisen und übertriebenen Automobilen?
Und deshalb, schlussfolgerte sie präzisionskomponentenscharf, gehörte ihr
und ihrem Hemd von Sohn – Georg Friedrich Wilhelm, kein Scheiß! – jetzt
alles, summa 4,85 Milliarden, und zwar zu Recht, zu Recht und noch einmal
zu Recht! Und ungeduldig klingelte sie abermals nach Mandy oder Walburga
oder wie die blöde Trine hieß. Denn der Fresskorb für die Springer’sche
„Korrespondentin für Wirtschaftspolitik“ oder wer diese wahre, wahre und
noch einmal wahre Bildunterschrift hingezaubert hatte, der musste raus,
bevor ihre, Maria-Elisabeth Schaefflers, Frühschicht begann.
Gleich ginge die Sirene.
20 Feb 2019
## AUTOREN
Stefan Gärtner
## TAGS
Maria-Elisabeth Schaeffler
Die Welt
Väter
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