# taz.de -- „Eine solche Strategie geht nach hinten los“ | |
> Die „Nationale Industriestrategie 2030“ hält Tilman Altenburg für einen | |
> Skandal | |
Interview Sinan Recber | |
taz: Herr Altenburg, in der „Nationalen Industriestrategie 2030“ heißt es, | |
die Unterscheidung in alte, schmutzige und neue, saubere Industrien führe | |
in die Irre. Teilen Sie diese Einschätzung? | |
Tilman Altenburg: Diese Äußerung ist ein Skandal. Eine solche Strategie | |
geht vollkommen nach hinten los und ist eine Ohrfeige gegenüber den | |
Klimazielen, die eine große Herausforderung unserer Zeit sind. | |
Vorausschauende Industriepolitik ist keine Politik für die Konzerne, | |
sondern Politik für einen gesellschaftlich gewünschten Strukturwandel – ein | |
großer Unterschied. | |
Was wäre dann eine vorausschauende Politik? | |
Man braucht am Anfang einen Konsens darüber, wo man hinmöchte. Dazu gehört | |
natürlich auch, die Wirtschaft zu ökologisieren, den Ressourcenverbrauch | |
und vor allem die CO2-Emissionen zu senken. Die Frage, die wir uns stellen | |
sollten, ist: „Wie schaffen wir so viele Jobs wie möglich, die der | |
Gesellschaft nützen und zum Beispiel saubere Luft und eine lebenswerte | |
Umwelt schaffen?“ Es darf also nicht darum gehen, einen Industriebestand um | |
jeden Preis international abzusichern. Eine solche Strategie hintertreibt | |
deutsche Zusagen bei der Energiewende, in der Kohlekommission und beim | |
Pariser Klimaabkommen. | |
Was sind Ihrer Meinung nach wichtige, saubere Industriezweige? | |
Offensichtlich saubere Industrien wie die erneuerbaren Energien, aber auch | |
alle Industriezweige, die mittelbar mit einer kohlendioxidarmen Wirtschaft | |
zu tun haben. Dazu gehören zum Beispiel innovative Verkehrskonzepte und vor | |
allem Energiespeichertechnologien. Denn wir wissen, dass wir in den | |
nächsten Jahrzehnten mit den erneuerbaren Energien nur so weit vorankommen, | |
wie wir auch in der Lage sind, den so erzeugten Strom zu speichern. Das ist | |
eine typische Situation, in der es einen Staat mit einer Lenkungswirkung | |
braucht. | |
Der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung soll bis 2030 auf 25 | |
Prozent steigen. Wie sinnvoll ist das? | |
Das ist nicht mehr zeitgemäß, weil wir auf dem Weg in eine | |
Dienstleistungsgesellschaft sind. Industrie hat historisch gesehen eine | |
besondere Rolle gehabt, weil damit viel Wissen für neue Technologien | |
aufgebaut werden konnte. Für den Übergang Deutschlands zur | |
postindustriellen Gesellschaft macht ein solches Ziel keinen Sinn mehr. | |
6 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Sinan Recber | |
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