# taz.de -- StadtgesprächJannis Papadimitriou aus Athen: Die Athener diskutier… | |
Viel Lärm um nichts sei der angebliche Mazedonienkompromiss, empört sich | |
der griechische Rentner Jorgos. Den Griechen bringe das jüngste Abkommen | |
mit Skopje wenig und das eigentliche Problem werde auch nicht gelöst, | |
glaubt der 80-Jährige. | |
Erst im Sommer 2018 hatten die beiden Regierungschefs Griechenlands und | |
Mazedoniens, Alexis Tsipras und Zoran Zaev, nach mühsamen Verhandlungen den | |
Kompromiss vereinbart, über den Jorgos so schimpft. Demnach soll die | |
ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien künftig Nordmazedonien heißen. | |
Dafür wollte sich Griechenland nicht mehr gegen einen Nato-Beitritt und | |
eine Annäherung Mazedoniens an die EU stellen. Am Freitagabend sollte das | |
griechische Parlament das Nato-Beitrittsprotokolle des künftigen | |
Nordmazedonien ratifizieren – die Ratifizierung galt als sicher. | |
Der Namensstreit ist indes fast so alt wie der Athener Rentner Jorgos: Nach | |
dem Zweiten Weltkrieg wurde die sozialistische Jugoslawische Föderation | |
gegründet, deren südlichstes Bundesland die „Republik Mazedonien“ war. Mit | |
diesem Namen proklamierte sie ihre Unabhängigkeit nach dem Zerfall | |
Jugoslawiens. Schon 1945 befürchtete Athen Gebietsansprüche der Nachbarn | |
auf die gleichnamige nordgriechische Region Mazedonien. | |
Damals war Hellas zu schwach für Protest, lag es doch nach der Besetzung | |
durch die Deutschen, Italiener und Bulgaren am Boden. Außerdem steckte das | |
Land ab 1946 im Bürgerkrieg. Heftig fiel aber die Reaktion in den 1990er | |
Jahren aus, als Millionen gegen einen „mazedonischen“ Staat protestierten. | |
Im Schatten der Geschichte ist es nicht einfach, Kompromisse zu schließen. | |
Das gilt auch für die Jüngeren. „Unser Land war schon immer von Großmächt… | |
abhängig – kein Wunder, dass die Athener Regierung ihre Entscheidungen nach | |
dem Willen der Amerikaner und der Deutschen richtet“, moniert Takis | |
Theodossiou, ein Unternehmer aus dem Stadtteil Kypseli. | |
Aber warum sollten die Deutschen ihre Interessen ausgerechnet in Mazedonien | |
verteidigen wollen? „Schon 1944 haben die Deutschen Wert gelegt auf den | |
Namen Mazedonien, dabei bleibt es bis heute“, sagt der 49-Jährige, der in | |
Deutschland studiert hat. Mit dieser Ansicht steht er nicht allein. | |
Der Kompromiss ist generell umstritten: Nach einer jüngsten Umfrage loben | |
ihn nur 12 Prozent der Griechen. Daraus wollen selbst ernannte Patrioten | |
Kapital schlagen. Die Rechten sind erfolgreich – die rechtsextreme Goldene | |
Morgenröte würde bei einer Parlamentswahl nach den aktuellen Umfragen | |
derzeit drittstärkste Kraft. | |
Aber nicht nur die Ewiggestrigen, sondern auch gemäßigte Konservative und | |
Sozialdemokraten lehnen die Einigung ab. Panagiotis Doudonis, ein junger | |
Jurist mit gutem Draht zur Sozialdemokratie, übt sich in Dialektik: „Nur | |
weil wir uns gegen die vorliegende Lösung aussprechen, sind wir noch lange | |
keine Nationalisten. Im Gegenteil – gerade weil wir für eine Lösung sind, | |
sehen wir uns verpflichtet, diese Lösung zu kritisieren.“ | |
Allen Widerständen zum Trotz hat Regierungschef Alexis Tsipras seine Lösung | |
durch das Parlament gebracht, obwohl er keine Mehrheit hat, nachdem die | |
rechtspopulistische ANEL-Partei aus Protest gegen die Einigung die | |
Regierung verlassen hat. Nun bastelt der große Taktiker Tsipras an einer | |
neuen Mehrheit mithilfe von unabhängigen Abgeordneten und ANEL-Abtrünnigen. | |
Die Folgen sind zum Teil grotesk. Jüngstes Beispiel: Der ANEL-Abtrünnige | |
Thanasis Papachristopoulos hatte eigentlich gerade gesagt, er wolle | |
zurücktreten, da wurde er von Parlamentspräsident Nikos Voutsis (Syriza) | |
zurückgepfiffen. Der Anel-Abgeordnete erklärte daraufhin, er müsse seinen | |
Wagen zur Werkstatt bringen und könne deshalb nicht ins Parlament kommen, | |
um seinen Rücktritt wie angekündigt einzureichen. | |
Auch den Rentner Jorgos amüsiert das. Gar nicht so lustig sei aber die | |
dahintersteckende Einstellung. So manche Volksvertreter, sagt er, agierten | |
so, wie es gerade opportun sei. | |
9 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Jannis Papadimitriou | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |