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# taz.de -- Times, they are a-changing
> Was ist nur los mit den Briten? Eine Korrespondentin berichtet über ihre
> Wut und den Frust über den Brexit
Von Anke Lübbert
Die berührendste Szene steht am Ende des ersten Drittels: Zwei
deutsch-britische Freunde von Connolly rezitieren kurz nach dem
Brexit-Referendum bei der Taufe einer befreundeten Familie das Gedicht „No
Man Is an Island“ – auf Britisch und Deutsch. „Kein Mensch ist eine Insel,
in sich ganz; in jeder ist ein Teil des Kontinents, ein Teil des Festlands.
Würde auch nur ein Klümpchen Erde vom Meer geholt, so wäre Europa schon
weniger. Gerade so als wäre eine Landzunge fort, oder der Hof deines
Freundes, oder dein eigener.“
Das Buch von Kate Connolly, der Guardian-Korrespondentin in Berlin, lebt
von solchen persönlichen Erzählungen. Sie lässt die Leser teilhaben an der
eigenen Wut und dem Frust über die politische Entwicklung in
Großbritannien. Sie beschreibt Szenen, in denen sie mit ihren Eltern
diskutiert, die zum Teil für „Leave“, also für den Brexit, gestimmt haben,
erklärt, wie sich das Land aus ihrer Sicht seither gewandelt hat, wie der
Brexit einen Keil zwischen Familien und Freunde treibt.
Lesenswert ist das Buch aber vor allem als Erklärstück zum Brexit:
Großbritanniens langes Fremdeln mit dem europäischen Projekt, der nicht
verwundene Verlust der Weltmachtrolle, das erste Referendum 1975, die
Angewohnheit britischer Politiker, innenpolitische Fehlentwicklungen auf
die EU zu schieben. Auch auf die Monate vor dem Brexit wirft Connolly einen
Blick: die Rolle von Cameron, Johnson und May, die Verantwortung der
Medien, der schmutzige Wahlkampf.
Dass Kate Connolly nach dem Brexit die zweite, deutsche Staatsbürgerschaft
beantragt, ist der Aufhänger des Buches. Sie, die seit Jahren in
Deutschland lebt, einen deutschen Mann hat, ist sicher nicht die
unwahrscheinlichste Person, um den Antrag auszufüllen. Und auch wenn sie
bildhaft erzählt, wie sie seitenweise Dokumente ausfüllt und schließlich
bei der Einbürgerungsfeier bemüht ist, die hohen Töne der Nationalhymne zu
treffen: Für sie ist die Entscheidung für die deutsche Nationalität keine
gegen die britische. Sondern eher ein Bekenntnis zu der „Überzeugung, dass
eine moderne Nationalität notwendigerweise fließend, offen und
vielschichtig ist“. Die Entscheidung für die deutsche Staatsbürgerschaft
ist für Conolly eine Möglichkeit, weiter EU-Bürgerin bleiben zu können. Ein
Votum für Europa. Und gegen den Brexit.
Es gibt auch Augenblicke beim Lesen, die Verwunderung erzeugen, etwa, wenn
Deutschland aus Sicht einer Britin plötzlich als das tolerantere,
offenherzigere, weltoffnere Land erscheint – the times, they are
a-changing. Dabei betrachtet Connolly nicht nur die Entwicklung in
Großbritannien, sondern auch die in Deutschland mit Sorge und erzählt, wie
sie nach ihrer ersten Bundestagswahl hoffte, dass in ihrer neuen Heimat
„keine Zeiten anbrechen würden, vor denen ich Angst haben müsste“.
Leider lässt Connolly ihre zeitgeschichtlichen Betrachtungen Anfang 2018
enden. Für die tagesaktuellen Fragen, was aus Großbritannien, der EU und
dem Brexit wird, bleiben also in den nächsten Wochen nur weiter die
Nachrichten. Um die Geschichte dahinter jedoch besser verstehen zu können,
ist ihr Buch lohnend.
2 Feb 2019
## AUTOREN
Anke Lübbert
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