# taz.de -- Ein Fonds für Afrika | |
> Noch bis zum 3. Februar findet in Brüssel die BRAFA statt,eine | |
> Kunstmesse, auf der auch indigene Kunst gehandelt wird | |
Bild: Königliches Kopfwappen, Bamum, nordwestliches Kamerun, 19. Jahrhundert | |
Von Jan Bykowski | |
Noch bis zum 3. Februar findet in Brüssel die BRAFA statt, die Brussels Art | |
Fair. 133 Aussteller bieten hier Kunst von der Antike bis in die Gegenwart | |
an. Und Werke traditioneller afrikanischer Kunst. Um sie dreht sich derzeit | |
eine heftige Debatte, gefragt wird, wie sie in europäische Museen und den | |
internationalen Kunsthandel gelangen oder gelangt sind und wie mit ihnen | |
umgegangen werden sollte. | |
Brüssel ist neben Paris ein wichtiges Handelszentrum vormoderner | |
afrikanischer Kunst. Fast das gesamte bildhauerische Erbe der Völker des | |
Kontinents befindet sich heute in westlichen Sammlungen. 2017 kam der | |
französische Präsident Emmanuel Macron mit einer radikalen Idee an die | |
Öffentlichkeit: Das kulturelle Erbe Afrikas sollte restituiert werden. | |
Auf der Messe in Brüssel zeigt man sich davon nicht schockiert. „Macron hat | |
zu schnell zu viel gesagt und damit manche verärgert, die sich eine | |
differenziertere Lösung gewünscht hätten“, sagt Yann Ferrandin, Pariser | |
Händler für prämoderne Kunst, der auf der Messe in Brüssel ausstellt. Nicht | |
alles sei gestohlen worden, vieles sei auf legalem Wege in westliche | |
Sammlungen verkauft oder speziell für diesen Markt in Afrika geschaffen | |
worden. | |
Doch dass restituiert werden wird, da sind sich die Händler einig. | |
„Objekte, die sich als gestohlen erweisen, müssen auch nach 100 oder 150 | |
Jahren zurückgegeben werden“, meint Martin Doustar, Händler für Afrikana, | |
Kunst aus Ozeanien und Amerikana in Brüssel. Selbst wo rechtliche Hebel | |
fehlen, sei aus 300 Jahren Kolonialgeschichte eine moralische Verpflichtung | |
entstanden, ergänzt Joris Visser. | |
Der ehemalige Händler und heutigen Experte für prämoderne Kunst im Wiener | |
Auktionshaus Dorotheum lässt die üblichen Einwände nicht gelten, dass | |
unklar sei, an wen zurückgegeben werden solle, und dass die Infrastruktur | |
in Afrika die Erhaltung der Kunstschätze noch nicht gewährleiste. Er hält | |
es für paternalistisch, die moralische Verpflichtung zur Restitution an | |
Bedingungen zu knüpfen. Wer von Rückerstattungen auf welche Weise | |
profitiere, sei einzig Sache der Afrikaner. | |
Im hübschen Brüsseler Vorort Tervuren lässt sich am Königlichen Museum für | |
Zentralafrika ablesen, woher diese Verantwortung rührt. Bis 2013 stammte | |
die Präsentation der Sammlung aus den 1950er Jahren, da war der Kongo noch | |
belgische Kolonie. Seither wurde renoviert und revidiert. Trotz | |
Investitionen von 65 Millionen Euro und gut gemeinten Neuerungen des | |
Ausstellungskonzepts wurde das unter Denkmalschutz stehende Gebäude nicht | |
wirklich von seinem Geist kolonialen Superioritätsempfindens befreit. | |
„Wären von diesem Budget nur fünf Millionen für Bildungseinrichtungen nach | |
Afrika gegangen, wäre viel mehr Wirkung möglich gewesen“, meint Joris | |
Visser. Denn eine Generation von Afrikanern habe sich wenig für ihre | |
Kunstgeschichte interessiert. Stattdessen orientierten sie sich in ihrem | |
Selbstverständnis als moderne Bürger an der Kultur Europas und | |
Nordamerikas. | |
Dort wächst die Anerkennung für traditionelle afrikanische Kunst, auch | |
durch kommerzielles Interesse. Auf der BRAFA stellt Bernard De Grunne | |
Skulpturen der Dinka aus dem Südsudan vor, für die seine Galerie | |
wesentliche Forschungsarbeit geleistet hat. Sie werden für Preise zwischen | |
50.000 und 300.000 Euro zum Verkauf angeboten. Um die Kultur afrikanischer | |
Länder an den Gewinnen teilhaben zu lassen, schwebt Visser eine Art | |
Folgerecht vor, wie es teilweise bereits bei Gegenwartskünstlern angewendet | |
wird. Die Regelung spricht beim Verkauf von Kunstwerken dem Künstler eine | |
Beteiligung am Erlös zu. Eine ähnliche Praxis könne für die Kunst | |
afrikanischer Ethnien getroffen werden, zugunsten eines Fonds. | |
Auch die Bezeichnung „Tribal Art“ mit ihrem rassistischen Unterton, | |
entstanden aus dem kulturellen Überlegenheitsgefühl, stößt auf wachsende | |
Ablehnung. „Beinhaltet die Klassifizierung als ‚Stammeskunst‘ denn nicht, | |
dass es eine ‚andere‘ Kunst ist als zum Beispiel die europäische?“, fragt | |
Heinrich Schweizer. Er war 2014 bei Sotheby’s Experte für diesen Bereich, | |
als in seiner Auktion erstmals ein Werk prämoderner Kunst für mehr als zehn | |
Millionen Dollar versteigert wurde. Heute betreibt er in New York eine | |
Galerie, die ebenfalls zu Millionenpreisen handelt. „Mein Job als Händler | |
oder Experte eines Auktionshauses ist, Kunst für den höchstmöglichen Preis | |
zu verkaufen“, so Schweizer. „Einen Diamanten kann man nur dann für den | |
Preis eines Diamanten verkaufen, wenn man ihn als Diamant bezeichnet.“ | |
Einst bedienten sich Surrealisten und Kubisten an den Formen, die | |
afrikanische Künstler lange vor ihnen gefunden hatten. Menschen | |
interessieren sich am ehesten für das, was sie wiedererkennen. So hilft | |
diese Ähnlichkeit, neue Sammler zu begeistern. Korrelationen | |
zeitgenössischer europäischer mit prämoderner afrikanischer Kunst sieht | |
auch Javier Peres. Mit seinen „Peres Projects“ ist er Galerist | |
zeitgenössischer Kunst in Berlin, sammelt privat aber zudem traditionelle | |
afrikanische Kunst und stellt sie gern miteinander aus. Ihn führte als | |
Teenager seine Begeisterung für Jean-Michel Basquiat zur afrikanischen | |
Kunstgeschichte. | |
Einrichtungen zur Pflege und Erforschung der eigenen Kunstgeschichte | |
könnten in afrikanischen Ländern helfen, die prämoderne Kunst wieder an | |
ihren Ursprung zurückzubringen. Ein Fonds, wie von Joris Visser | |
vorgeschlagen, böte eine Möglichkeit, hierfür Mittel zur Verfügung zu | |
stellen. | |
29 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Jan Bykowski | |
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